Die Werkwoche ist vielfältig und bunt. Foto: Christiane Rinser-Schrut
Bei der Werkwoche können sehr viele etwas, und nach der Werkwoche können alle noch viel mehr. Dabei ist die ostpreußische Tradition der eigentliche Grund, weshalb die Teilnehmer den Weg nach Helmstedt zur Werkwoche antreten. Das Hören des breiten ostpreußischen Dialekts, der von der ein oder anderen Teilnehmerin gesprochen wird, das Singen der ostpreußischen Volkslieder und vor allem das Anwenden der vielen Handarbeitsformen wie das Weben der Jostenbänder, das Weißsticken, das Muster- und Doppelstricken und natürlich das Nähen des Ostpreußenkleids, all das schafft ein ostpreußisches Rundumpaket, in dem man gerne dazulernt.
Doch was ist, wenn die Grundlagen nicht mehr vorhanden sind? Wenn die dreifädige Wolle für die Musterhandschuhe nicht mehr zu beziehen ist? Da werden die Werklehrinnen kreativ und entwickeln die Muster mit vierfädiger Wolle neu. Groß ist der Wunsch des Erhaltens, um gestalten zu können. Aber nicht nur bei der Wolle gibt es Herausforderungen bezüglich des Materials, auch die Trachtenschneiderinnen sehen sich bereits jetzt um, wie bezahlbarer Stoff für die Ostpreußenkleider zu beschaffen ist, der den Ansprüchen eines Trachtenkleides entspricht.
Hannelore Mosbacher leitet zum ersten Mal die Werkwoche der Landsmannschaft Ostpreußen, die jedes Jahr im Herbst stattfindet, um ostpreußische Handarbeit zu lehren. Sie hat das Amt von Uta Lüttich, Bundesvorsitzende der ostpreußischen Frauenkreise, übernommen und füllt es mit großer Hingabe sehr herzlich aus, was die Teilnehmer schon anhand der liebevoll gebastelten Willkommenskarten ersehen konnten. „Es ist wie eine Familie, in der jeder willkommen ist", sagt die älteste Teilnehmerin Eva-Marianne Reinhardt. Die Werkwochenleiterin ergänzt: „Es fehlen die Jüngeren."
Wer aber nicht fehlt, sind die aus Ostpreußen angereisten Teilnehmerinnen, die für die Werkarbeiten brennen. Renate Sliwka wird in Allenstein die Webrahmen reaktivieren und ihr erworbenes Wissen an die Deutsche Minderheit weitergeben. So entstehen Taschen, Schals und Vorhänge, Mützen und sogar Pullover. Janina Manka versucht sich an einem Sternmuster für ihre Handschuhe und erhält viel Unterstützung von Edith Werner, welche die Gruppe der Strickerinnen leitet. Sie probiert mit aus, wie mit der dickeren Wolle das Muster hervorzuheben ist, hat aber auch alle anderen Teilnehmerinnen im Blick, die warme Schlaufenhandschuhe oder Socken und Topflappen mit der Technik des Doppelstrickens fertigen. Sehr angetan zeigt Werner die Handschuhe im Bestand, noch mit dreifädiger Wolle gestrickt und mit sichtbaren Gebrauchsspuren. „Man müsste diese Stücke unbedingt wissenschaftlich begutachten. Wo kommen sie her? Woher stammen die Muster? Gibt es historische Fotos oder gar noch weitere Handarbeiten, die in Ostpreußen gefertigt wurden?" In diesem Bestand befindet sich auch ein Staucher aus schwarzer Wolle, mit Glas- und Metallperlen gestrickt. Hierzu werden die Perlen in der Reihenfolge des Musters auf den Wollfaden gefädelt und dann mit eingestrickt. Allerdings ist das Angebot an diesen Perlen sehr spärlich, Plastikperlen sind leichter zu beschaffen, haben weniger Gewicht und sind regelmäßig gearbeitet, aber die anderen sind schöner.
„Diese Staucher", weiß Werner, „wurden im Haus getragen, denn da zog es oft. Die dünne Wolle war dafür hervorragend geeignet." Heute werde lieber mit dicker Wolle gestrickt, da auf diese Weise ein schnelleres Ergebnis entsteht, doch seien die Handschuhe oder Pulswärmer oft viel zu warm – zumindest fürs Haus. Werner lacht beim Hinweis auf das von der Bundesregierung empfohlene Heizverhalten: „So aktuell ist unsere Tradition."
Beim Trachtenschneidern entsteht bei dieser Werkwoche eine Jacke und eine Bluse. Marianne Kopp und Daniela Graulich sorgen im Keller des Haupthauses der Politischen Bildungsstätte in Helmstedt dafür, dass die Teilnehmerinnen die teuren Stoffe in passgenaue Kunstwerke verwandeln. Eine Teilnehmerin hat ein altes Ostpreußenkleid geschenkt bekommen und es im vorherigen Jahr umgearbeitet, sodass es ihr nun ausgezeichnet passt. So gibt es seitens der Näherinnen den großen Wunsch, dass alte Kleider nicht in die Kleidersammlung, sondern für die Werkwoche an die Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft Ostpreußen geschickt werden, um bei der nächsten Werkwoche neue Träger für sie zu finden. So wird getreu dem Motto „erhalten und gestalten" gehandelt.
Liesa Rudel reist mit ihrem Mann Klaus jedes Jahr aus der Schweiz an, um das Weben am Rahmen und das Jostenbandweben zu lehren. Klaus kümmert sich derweil um die Webstühle, damit bald auch das Doppelweben wieder gelehrt werden kann.
Die Weißstickerinnen haben unter der Weisung von Heidi Friedrich bereits am ersten Abend ein Lavendelkissen gefertigt. Sie sind froh um die vielen Sonnenstunden, denn Weißsticken erfordert viel Geduld, eine ruhige Hand und wache Augen; bei Tageslicht fällt das Sticken um so leichter.
Gefördert wird die Werkwoche, die im nächsten Jahr vom 9. bis zum 15. Oktober stattfinden wird, aus Mitteln der Stiftung „Zukunft für Ostpreußen".