6. Deutsch-Russisches Forum in Duisburg: Zusammenarbeit trägt Früchte
Rege Teilnahme am Deutsch-Russischen Forum: Lorenz Grimoni begrüßt die Teilnehmer. Bild: MRK
Zum sechsten Mal veranstaltete die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) vom 11. bis 13. Oktober ihr „Deutsch-Russisches Forum – Zukunft braucht Vergangenheit", das diesmal in Duisburg stattfand. Vertreter von Kreisgemeinschaften und ihre russischen Partner trugen Projekte vor, die deutlich machten, wie fruchtbar sich die Zusammenarbeit entwickelt hat.
„Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen − denn Zukunft kann man bauen." Inspiriert durch den Veranstaltungsort „Black Box", einen für Behinderte konzipierten Theatersaal mit einem Restaurant namens „Der Kleine Prinz", stellte die Leiterin des Forums, Brigitte Stramm, das Zitat Antoine de Saint-Exupérys als Motto der Veranstaltung voran. Der französische Schriftsteller und Pilot hatte Träume, und die hatten auch die Organisatoren des Deutsch-Russischen Forums, als sie 2008 erstmals Deutsche und Russen aus Ostpreußen zu einer gemeinsamen Tagung einluden. Alle Teilnehmer teilen das Interesse an der ostpreußischen Geschichte. Sie arbeiten daran, das Wissen darum zu bewahren und Traditionen zu pflegen. Für diese gemeinsame Aufgabe mussten zunächst eine Form des Austauschs entwickelt, Sprachbarrieren und Unsicherheiten im Umgang überwunden werden. Inzwischen ist ein Netzwerk entstanden, in dem bestehende Kontakte gepflegt und ausgebaut werden. Stramm begrüßte auch neue, jüngere Teilnehmer.
Dass die Kooperation ehemaliger und heutiger Bewohner Ostpreußens kein Traum geblieben ist, beweisen das rege Interesse am Forum sowie die steigende Zahl gemeinsamer Unternehmen.
LO-Sprecher Stephan Grigat brachte in seinem Grußwort seine Freude über die deutsch-russische Zusammenarbeit zum Ausdruck und betonte, dass die Zukunft den Foren gehört.
Nachdem Lorenz Grimoni, der die Vorbereitung vor Ort maßgeblich getroffen hatte, etwas über den Veranstaltungsort Duisburg, in dem das von ihm geleitete „Museum Stadt Königsberg" beheimatet ist − das größte Königsberg-Museum Deutschlands − erzählt hatte, kamen die beiden Direktoren der ostpreußischen Einrichtungen in Lüneburg und Ellingen zu Wort. Wolfgang Freyberg, Moderator der Veranstaltung und Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen Ellingen, selbst Organisator grenzüberschreitender Ausstellungsprojekte, schilderte die Schwierigkeiten bei den Grenzformalitäten, sprach aber auch von großen Möglichkeiten. In diesem Jahr eröffnete Freyberg eine Ausstellung im Dohnaturm, für 2014 sind 20 Tafeln über die Geschichte der Stadt Labiau in Vorbereitung, die zunächst im Ausstellungsraum des Gebietsarchivs gezeigt werden sollen, bevor sie später der Stadt Labiau zur Dauerausstellung übergeben werden. Das ist erst der Auftakt zu weiteren gemeinsamen Projekten, die Freyberg mit der Direktorin des Gebietsarchivs, Alla Fjodorwa, abgesprochen hat.
Joachim Mähnert, Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums, stellte die Erweiterungspläne seines Museums vor. Weil die Ausstellung zum 75. Jahrestag der „Reichskristallnacht" eine zweisprachige sein soll, die in Königsberg auch im Deutsch-Russischen Haus gezeigt werden soll, um dann im Gebiet zu verbleiben, warb er um aktive Mithilfe russischer Partner.
Die Deutschlehrerin Vera Waschtschelina und Christian von der Groeben können auf Erfolge ihrer gemeinsamen Aktivitäten zurückblicken: Waschtschelina erhielt für ihre Idee, russischen Kindern in spielerischer Form Deutsch beizubringen, aus der Bundesrepublik Untersützung in Form von Videos und Tonbandaufnahmen. Sie organisiert Ausflüge nach Balga, säubert gemeinsam mit ihren Schülern Gebäude und Kriegsgräber. Außerdem betreut sie 70 behinderte Kinder rund um die Uhr. Von der Groeben freut sich darauf, dass im Sommer 2014 im Museum Friedländer Tor eine Ausstellung über seine Familie eröffnet wird.
Wo Licht ist, fällt auch Schatten. Einen herben Rückschlag musste Dmitri Suchin, Initiator des Projekts „InsterJAHR" hinnehmen, als bei guter Ausgangslage die Bewegung auseinanderbrach, weil Einzelpersonen getrennt marschierten. Inzwischen werden die Kasernen in Insterburg abgetragen, die von seinen Studenten gezeichneten Pläne alter Gebäude verschwanden, der Bismarckturm müsste dringend restauriert werden, aber niemand regt sich, weder die Provinzregierung noch der Gouverneur zeigen Interesse. Aber er wäre nicht der Architekt Suchin, wenn er sich dadurch entmutigen ließe. Suchin ist Realist, er arbeitet an solchen Plänen weiter, deren Realisierung möglich ist. Vordringlich geht es um die Rettung der Scharoun'schen Häuser, der „bunten Reihe" in Insterburg. Eines der Häuser soll eine Lehrbaustelle werden, auf der Menschen des Gebiets Handwerksberufe erlernen können. Das Fehlen von Handwerksbetrieben in der Oblast erschwert die Rettung von Baudenkmälern. Weil es keine Ziegelei im Gebiet gibt, können auch keine ostpreußischen Dächer nachgebaut werden. Dennoch hofft Suchin, dass er zum 125. Jubiläum Scharouns im Jahre 2018 Ergebnisse vorlegen kann. Hoffnung gibt es indes für die Schwedlersche Kuppel: Der Insterburger Rundlokschuppen hat einen neuen Besitzer gefunden.
Großes Interesse fand der Vortrag von Markus Podehl bei den russischen Teilnehmern, vor allem die Präsentation von Fotos und Plänen aus der Nachkriegszeit. Offensichtlich waren diese unbekannt. Wegen der Kürze der Zeit blieben viele Fragen offen, aber das Interesse an Podehls Buch zeigt, dass die Intention des Autors, mit seiner Arbeit den deutsch-russischen Dialog zu fördern, aufgegangen ist.
Im Anschluss an den Geschichtsvortrag von Walter Rix über die Konvention von Tauroggen 1812 berichtete Angelika Spiljowa von der Einweihung des Denkmals Tauroggen, an dem zahlreiche Ehrengäste aus der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Litauen und der Russischen Föderation teilnahmen. Dank der guten Zusammenarbeit von Spiljowa und Hans Dzieran, dem Kreisvertreter der Stadt Tilsit, hat sich bereits vieles zum Positiven entwickelt. Vor vier Jahren wurde das alte Stadtwappen wieder eingeführt, Armin Müller-Stahl wurde Ehrenbürger der Stadt, und auch für die Zukunft ist vieles in Planung. So soll eine touristische Route an die Orte des Tilsiter Friedens erarbeitet werden.
In Pillau engagiert sich nach wie vor Ewa Schalaginowa für den Erhalt des ostpreußischen Kulturerbes. Geleitet von der Erkenntnis, dass deutsche Geschichte auch die der heutigen Bewohner Ostpreußens ist, plant sie Schülerprojeke auch zum sensiblen Thema Vertreibung der Deutschen. Mutig tritt sie der Zerstörung deutscher Kriegsgräber entgegen. Oft haben heutige Behörden keine Kenntnis von der Lage der Friedhöfe. Hier und auch bei weiteren Themen könnten Deutsche und Russen noch enger zusammenarbeiten. Schalaginowa ist überzeugt, dass auch russische Beamte ein Interesse an der Zusammenarbeit haben und von russischer Seite Fördermittel gewährt werden könnten.
Swetlana Postnikowa, Bibliothekarin der wissenschaftlichen Bibliothek im ehemaligen preußischen Archiv in Königsberg informierte darüber, dass heute viele Bücher zur Verfügung stehen, die bis zur Perestojka noch unter Verschluss waren, da sie als „faschistische" Literatur galten.
Russen wird häufig nachgesagt, sie seien phlegmatisch und entwickelten kaum Eigeninitivative. Dieses Vorurteil entkräftigten gleich mehrere positive Beispiele. Sei es die Einrichtung des Schulmuseums Waldwinkel der aktiven Gründerin Natalytsch, in dem russische Schüler bei Ausflügen richtigen Unterricht absolvieren, oder die Privatinitiative des Reiseleiters und Dolmetschers Jewgenij Snegowskij, der in Palmnicken ein deutsches Haus von 1936 bewohnt, in dem er Gäste bewirtet und zu Abenteuern in der Natur begleitet: Sie beweisen, dass sich etwas zum Positiven bewegt.
Zur Tourismusförderung wollen zwei neue Teilnehmer beitragen, indem sie ein „Projekt E.T.A. Hoffmann" ins Leben riefen. Neben einer Neuausgabe der Hoffmann-Märchen wollen sie den Dichter zur Visitenkarte der Region machen.
Mit dem Fazit „Ich nenne das Faszination Ostpreußen" schloss Brigitte Stramm das diesjährige Forum. Die vielfältigen Projekte auf allen Gebieten zeigen, dass die Zusammenarbeit auf einem guten Weg ist. M. Rosenthal-Kappi
Teilnehmer des Deutsch-Russischen Forums besichtigten Duisburgs Museum »Stadt Königsberg« und Salvatorkirche
Führung durch das Museum Stadt Königsberg (oben): Museumsleiter Lorenz Grimoni (l.) und Übersetzer Andrej Portnjagin (3.v.l.) erklären einem interessierten Publikum die Konzeption der Exponate der Ausstellung. Bilder: MRK
Dieses Museum muss man einfach gesehen haben." Diese Einschätzung teilten wohl alle Teilnehmer einer Führung durch das Museum „Stadt Königsberg", die im Rahmen des von der Landsmannschaft Ostpreußen veranstalteten 6. Deutsch-Russischen Forums in Duisburg stattfand. Lorenz Grimoni, der langjährige Leiter des Museums, führte die Tagungsteilnehmer persönlich durch sein Museum und gab ihnen die Möglichkeit, einen Blick in das Archiv zu werfen.
In Duisburg ist das größte Königsberg-Museum Deutschlands beheimatet. In Gegensatz zum Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen und dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg konzentriert sich seine Ausstellung auf die ostpreußische Hauptstadt. Die Exponate und Tafeln des Museums behandeln die besonderen Ereignisse der deutschen Geschichte der Stadt, Handel und Wirtschaft, die Universität, kulturelle Einrichtungen sowie große Persönlichkeiten aus Kultur- und Geistesgeschichte.
Grimonis Begeisterung beim Vortrag, der von Andrej Portnjagin, dem Direktor des Deutsch-Russischen Hauses in Königsberg − der schon am Tag zuvor in brillanter Weise gedolmetscht hatte −, übersetzt wurde, übertrug sich auf die Zuhörer. Während die deutschen Teilnehmer sich in Ruhe die Exponate ansahen, hatten ihre russischen Kollegen die Möglichkeit, Archivmaterial zu sichten und einiges Schriftmaterial mitzunehmen. Davon machte die aus Museumsleitern, Lehrern und Heimatforschern zusammengesetzte Gruppe gerne Gebrauch. Ein weiterer Höhepunkt des Exkursionsprogramms war die Besichtigung der Salvatorkirche, an der Grimoni als Pfarrer tätig war. 1254 übernahm der Deutschritterorden das Patronat der anstelle einer ursprünglichen Holzkapelle aufgebauten romanischen Steinkirche. Die Kreuzritter erbauten unter Einbeziehung des romanischen Grundrisses eine dreischiffige, gotische Pfeilerbasilika. In der Südkapelle erinnert das „Mercator-Epitaph" an den berühmten Kartografen Mercator, der den Atlas als Kartenwerk quasi erfand. Er wurde 1571 in der Kirche beigesetzt. 1655 fand in der Salvatorkirche die Gründungsfeier einer Evangelischen Universität Preußens statt.
Die günstige Lage aller Veranstaltungen des diesjährigen Deutsch-Russischen Forums im Zentrum Alt-Duisburgs erlaubte es den Teilnehmern, neben dem offiziellen Programm auch Besichtigungen oder Einkaufsbummel auf eigene Faust zu unternehmen, eine Mischung, die spürbar zum Gelingen des Forums beitrug.
Manuela Rosenthal-Kappi
In Zusammenarbeit mit dem „Museum Stadt Königsberg" führt die Landsmannschaft Ostpreußen vom 11. – 13. Oktober 2013 in Duisburg zum sechsten Mal das Deutsch-Russische Forum „Zukunft braucht Vergangenheit" durch. Ein Programmpunkt ist Kurzberichten von deutschen und russischen Kulturschaffenden über ihre aktuellen Projekte gewidmet. Dr. Markus Podehl berichtet über den Wiederaufbau der im II. Weltkrieg schwer zerstörten Innenstadt Königsbergs in einem Beitrag mit dem Titel „Architektura Kaliningrada – Wie aus Königsberg Kaliningrad wurde". In einem weiteren Referat stellt Dr. Walter T. Rix die Vorgeschichte, den Inhalt und die Wirkung der Konvention von Tauroggen aus dem Jahre 1812 vor. Ergänzt wird dieser Programmpunkt mit einem Bericht von Frau Angelika Spiljova, Direktorin des Stadtgeschichtlichen Museums Tilsit, über das aktuelle grenzüberschreitende Projekt „Vom Tilsiter Frieden zur Konvention von Tauroggen". Diskussionen über die Erfahrungen der deutschen und russischen Partner bei der kulturellen Zusammenarbeit bilden einen weiteren Schwerpunkt der Veranstaltung. Der Teilnehmerkreis des Forums ist auf die Kreisvertreter der Landsmannschaft Ostpreußen und ihre kommunalen russischen Partner im Königsberger Gebiet begrenzt.