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7. Kommunalpolitischer Kongress 2009

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Brücken schlagen

7. Kommunalpolitischer Kongress in Frankfurt (Oder) / Słubice

Unter dem Motto „Deutsche und Polen – Nachbarn in Europa" tagte der 7. Deutsch-Polnische Kommunalpolitische Kongress der Landsmannschaft Ostpreußen in Frankfurt (Oder) und seiner Nachbarstadt Słubice vom 25. – 27. September 2009.

Eine Brücke zu schlagen, bedeutet schwere Arbeit. Das gemeinsame Leben und Gestalten ist langwierig und braucht Geduld und Nachsicht von beiden Seiten des Wassers. Unter diesem Gesichtspunkt erklärten sowohl der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), Martin Patzelt, als auch Pawel Kisielewski, der Vertreter des Bürgermeisters von Słubice, in ihren Grußworten die Identifikation der Bewohner mit ihrer Region zum gemeinsamen Ziel. Zu dieser Völkerverständigung trägt in ganz besonderer Weise die über 250 Meter lange Brücke bei, die Frankfurt (Oder) und Słubice verbindet. Auf ihr und um sie herum fand und findet Geschichte statt. Sie wurde oft zerstört, aber immer wieder aufgebaut, am 21. Dezember 2007 fielen endlich die Grenz- und Zollkontrollen weg. Doch zeigt sich immer wieder: Annährung erfolgt langsam und behutsam. Das sind wichtige Erkenntnisse, die einerseits redundant klingen, andererseits jedoch zeigen, dass noch viel gearbeitet werden muss, um eine tragfähige Brücke der deutsch-polnischen Beziehung sicher betreten zu können.

Polnische Kommunalpolitiker reisten gemeinsam mit Vertretern der Deutschen Minderheit in Polen und den Vertretern der Kreisgemeinschaften aus dem historischen Ostpreußen an. Zum ersten Mal wurden auch Landesgruppenvorsitzende eingeladen, um an diesem wichtigen Zusammentreten über politische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen beider Länder mitzudiskutieren.

Gottfried Hufenbach, Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreußen, leitete den Kommunalpolitischen Kongress. In der Absicht, von den reichen Erfahrungen der Deutschen und Polen in der Region an der Oder zu profitieren und positive Erkenntnisse auf das südliche Ostpreußen übertragen zu können, führte er durch den Erfahrungsaustausch. Dank seiner umsichtigen Moderation gelang ein fruchtbarer Kongress.

Krzysztof Wojciechowski, Direktor des Collegiums Polonicum Słubice (CP), berichtete in aussagestarken Bildern über die Entstehung der nicht selbstständigen Gemeinschaftsuniversität der Partneruniversitäten Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und der Adam-Mickiewizc-Universität in Posen. Finanziert wird das CP von der Polnischen Regierung, der EU und der Stiftung „Collegium Polonicum", die im Oktober 2002 zur Entwicklungsunterstützung des Collegiums gegründet wurde. Es forscht als deutsch-polnische Begegnungsstätte auf dem Gebiet der Hochschuldidaktik. Schwerpunkte liegen in dem Vergleich der Rechts- und Verfassungssysteme West- und Mitteleuropas, der polnischen Sprache und Kultur, der Transformationsprozesse in den mitteleuropäischen Gesellschaften sowie der wirtschaftlichen, kulturellen und rechtlichen Aspekte der ost- und westeuropäischen Beziehungen. Die Hochschule wurde 1994 als „rechtsfreie Zone" begründet, in der erst ausprobiert werden muss, was und wie etwas umsetzbar ist und welche Reglements dazu benötigt werden. Beispielsweise ist noch immer nicht ganz geklärt, an wen die Hochschullehrer, die in beiden Ländern arbeiten, ihre Steuern zahlen müssen. Wojciechowski ist neben seiner Funktion als Direktor auch Gründer des Vereins „My Life – erzählte Zeitgeschichte". Ein Projekt dieses Vereins ist das „Archiv für menschliche Schicksale", in dem deutsche und polnische Biografien aus der Grenzregion auf verschiedenen Medien und unter verschiedenen thematischen Blickpunkten gesammelt werden.

Annette Bauer, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Europa-Universität Viadrina, ergänzte diesen Vortrag durch die Geschichte und Entwicklung der Viadrina, die sich als „Brückenuniversität" zwischen Ost und West versteht. Der internationale Anspruch ist dabei die treibende Kraft. Neben den gemeinsamen Studiengängen mit dem CP gibt es weitere, grenzüberschreitende Projekte, wie die „HeimatReise" des Instituts für angewandte Geschichte. „Studierende und Absolventen bringen ehemalige deutsche Bewohner in ihrer jetzt polnischen Heimat mit den heutigen polnischen Bewohnern zusammen. Sie übersetzen, helfen bei der Erkundung der gemeinsamen Geschichte." Das Projekt trägt damit viel Material und Arbeitskraft zum Brückenbauen bei. Dass deutsch-polnische Beziehungen auch von weltweiten Entwicklungen abhängen, zeigten nach dem Anschlag auf das World Trade Center die scharfen Grenzkontrollen, die den gemeinschaftlichen Universitätsbetrieb nahezu lahm legten. Viele Faktoren nehmen also auf die Entwicklung des „Brückenbauens" Einfluss.

Diese Erfahrung machte auch der Geschäftsführer der Euroregion „Pro Europa Viadrina", Tobias Seyfarth. Die Einrichtung fördert die Euroregion, mit einer Fläche von über 5.737 qkm, in kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht und wird selbst durch die EU gefördert. Zwischen den deutschen und polnischen Trägervereinen gibt es keine rechtlichen Regelungen, sie kooperieren seit 15 Jahren durch Absprachen, weil der Wunsch besteht, sich gemeinsam zu entwickeln. So wurde bewirkt, dass z. B. die jeweilige Feuerwehr auf beiden Seiten der Oder zum Einsatz kommt, oder dass ein neuer gemeinsamer Sportplatz gebaut wurde. Das neuste Großprojekt ist eine gemeinsame Straßenbahnlinie. Neben Verbesserungen der Infrastruktur wird auch in dem Bereich der Wirtschaft und Wissenschaft gearbeitet. Schwierigkeiten befürchtet Seyfarth, wenn die EU-Fördermittel für diese Region verringert werden.

Der Journalist Dietrich Schröder, Märkische Oderzeitung, begann seine Sicht des „Brückenbauens" mit einem historischen Rückblick und räumte mit dem Vorurteil auf, dass Polens Geschichte ein Konglomerat von Katastrophen sei, um dann einen Bogen zur Gegenwart zu schlagen – die Entwicklung Europas. Dabei verdeutlichte auch er, dass die deutsch-polnische Beziehung von weltpolitischen Faktoren beeinflusst wird und dass es deshalb auch zu kurz gegriffen sei, ausschließlich Deutschland und Polen zu betrachten. Den Blick zurück auf Frankfurt und Słubice richtend, zeigte der Redakteur der Märkischen Oderzeitung auf, wie Vergangenheitsbewältigung und das Feiern der gemeinsamen Geschichte vor Ort vollzogen wird. Auf die Frage, wie deutsche und polnische Jugendliche mit der Geschichte umgehen, antwortete Schröder, dass dieses Kapitel immer noch schwierig sei, weil in den Schulen Geschichte jeweils anders und mit anderen Schwerpunkten gelehrt werde. Dennoch gebe es regen Kontakt und Diskussionen und damit Annährung. Schröder hat den Eindruck, dass sich Spannungen langsam lösen – beispielsweise gibt es in Frankfurts Geschäften nicht mehr das Schild in polnischer Sprache „Ladendiebstahl wird bestraft" sondern Schilder mit dem Inhalt: Wir sprechen auch polnisch, oder: Bei uns können Sie auch in Zloty zahlen.

Kinga Hartmann-Wóycickas Beitrag griff einen bedeutenden Brückenpfeiler auf: Geschichte und Geschichtsverständnis. Das beim letzten Kongress angekündigte gemeinsame Lehrbuch „Geschichte verstehen - Zukunft gestalten. Die deutsch-polnischen Beziehungen in den Jahren 1933-1949" wurde jetzt von der Herausgeberin vorgestellt. Als Vorbild diente das deutsch-französische Geschichtsbuch. Das Unterrichtsmaterial wurde von polnischen und deutschen Wissenschaftlern entwickelt. Seit der zweiten Auflage wird auch die Untergrundarbeit in Polen während der NS-Zeit sowie Flucht und Vertreibung thematisiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Verschiebung der deutsch-polnischen Grenze im Bereich Niederschlesien und Sachsen. Dabei war es nicht verwunderlich, dass Hartmanns Beitrag zum Versuch, das deutsche und polnische Geschichtsbild miteinander in Einklang zu bringen, viele Diskussionen entfachte. Es wurde sichtbar, dass dieser „Pfeiler" noch oft bearbeitet werden muss, um eine starke Brücke stützen zu können. Es sollte folglich noch viele Kongresse geben, um dem Ziel, sich auf einer tragfähigen Brücke zu begegnen, näher zu kommen.