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Protestierten gegen die Kürzung des Deutschunterrichts: Piotr Dukat, Lech Kryszałowicz und Wiktor Marek Leyk (v.l.)
Foto: HahnkampProtestierten gegen die Kürzung des Deutschunterrichts: Piotr Dukat, Lech Kryszałowicz und Wiktor Marek Leyk (v.l.)

Allenstein

„Geiseln eines politischen Ziels“

Reduzierung des Deutschunterrichts in Polen – Die Deutsche Minderheit wehrt sich gegen ihre Diskriminierung

Uwe Hahnkamp
05.04.2023

Für die Deutsche Minderheit in der Republik Polen war es eine Woche der deutlichen Signale: In Oppeln und Ratibor sowie Ende März auch in Allenstein hatte sie Pressekonferenzen anberaumt, um gegen die Kürzung der Wochenstundenzahl im Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache zu protestieren. Änderungen von Seiten der Regierung und des Ministers für Erziehung und Wissenschaft sind derweil nicht in Sicht.

Es begann mit einer Diskussion zum polnischen Staatshaushalt im Herbst 2021. Auf der Suche nach möglichen Kürzungen kam der als vehement antideutsch bekannte Oppelner Abgeordnete Janusz Kowalski auf die Idee, im Bildungsetat zu streichen und Gelder in Höhe von umgerechnet 8,5 Millionen Euro ausschließlich aus Mitteln für den Unterricht in Deutsch als Sprache der nationalen Minderheit für das Schuljahr 2022/23 zu streichen.

Anfang 2022 wurde der Vorschlag dank der Förderung durch den Oppelner Minister für Erziehung und Wissenschaft, Przemysław Czarnek, binnen kürzester Zeit zu einer Verordnung, obwohl sie die Kinder diskriminiert, die Deutsch als Minderheitensprache lernen. Für sie gibt es statt drei nur noch eine Wochenstunde, für den Unterricht aller anderen Sprachen von nationalen und ethnischen Minderheiten jedoch weiterhin drei Stunden.

Trotz aller Proteste nicht nur von Seiten der Deutschen Minderheit in Polen, sondern auch von anderen nationalen Minderheiten, die sich solidarisierten, sowie von Lehrern, Schülern und Eltern wurde diese Verordnung durchgezogen. Auf eine Petition mit immerhin 15.000 Unterschriften polnischer Staatsbürger vom März 2022 ist bis heute keine Reaktion erfolgt. Jegliche Kontakt- und Gesprächsversuche der Deutschen Minderheit wurden vom Minister abgeblockt. Schon im Januar 2022 hatte auch bei der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM) eine Pressekonferenz stattgefunden, die aber so gut wie ohne Echo in der lokalen und regionalen Presse blieb.

Bislang keine Besserung

Zumindest in diesem Punkt war am 23. März eine positive Änderung zu sehen. Zwei Kameras standen im Saal der AGDM, in der die Pressekonferenz stattfand. Auch Journalistinnen lokaler Radiosender und Zeitungen waren gekommen. In der Sache des Unterrichts gab es aber keine Besserung.

Zwar hatte sich Minister Czarnek am 22. Januar in seinem Wahlbezirk Oppeln mit führenden Vertretern der Deutschen Minderheit getroffen und unter Bedingungen ein Ende der Diskriminierung angekündigt, passiert ist jedoch seither nichts. „Das sollte uns den Wind aus den Segeln nehmen – nach dem Motto, es ist doch schon etwas in Bewegung. Aber so lange die Verordnung nicht zurückgenommen wird, ist das nur warme Luft", sagte in Oppeln der Abgeordnete der Deutschen Minderheit im Sejm, Ryszard Galla, deutlich.

Es sind viele Fragen, die in Allenstein am 23. März gestellt wurden. „Was ist mit den 50.000 Kindern, polnischen Bürgern, die im polnischen Bildungssystem wegen ihrer Nationalität diskriminiert werden?" – hakte der Redakteur der Monatsschrift der Deutschen Minderheit in Ermland und Masuren, Lech Kryszałowicz, der sich sehr gut mit der Lage der Schulen in der Woiwodschaft auskennt, nach, und er konkretisierte: „Wie soll ich einem Kind in einer Grundschule in Schlobitten erklären, dass es nur eine Stunde Deutsch hat und sein ukrainischer Freund drei Stunden Ukrainisch?" Der Vorsitzende der AGDM, Piotr Dukat, schlug in dieselbe Kerbe: „Wir können nicht schweigen, wenn unseren Kindern ein Leid geschieht, das ihnen von der eigenen Regierung zugefügt wird. Wir appellieren an Sie, dieses Vorgehen aufzugeben."

Die Folgen reichen aber noch weiter, als es auf den ersten Blick scheint, wie eine weitere Frage zeigte: „Was ist mit den Hunderten Lehrern und Germanisten, die von jetzt auf gleich ihre Arbeit verloren haben?" Sebastian Jabłoński, selbst Deutschlehrer und Vorsitzender der Sensburger Gesellschaft der Deutschen Minderheit, kennt dieses Problem bei seinen Kollegen: „Zum Teil müssen sie an zwei Schulen arbeiten oder fachfremde Stunden übernehmen. Wichtig ist aber auch, dass gerade die Inhalte, die den Unterschied zu Deutsch als Fremdsprache ausmachen, etwa regionale Geschichte und Bräuche, in der jetzt zur Verfügung stehenden Zeit nicht vermittelt werden können." Auf Nachfrage einer Journalistin der lokalen „Gazeta Wyborcza" ergänzte Kryszałowicz: „Ich konnte einige Schulen mit Deutsch als Minderheitensprache in der Region erreichen. An einer ist eine Lehrerin in Ruhestand gegangen, eine andere arbeitet auch in der Bibliothek der Schule. Das ist keine Lösung."

Zerstörung des Bildungssystems

Unterstützung erhielt die regionale Deutsche Minderheit von Wiktor Marek Leyk, dem Bevollmächtigten des Marschalls von Ermland-Masuren für Minderheitenfragen. Er hatte die Schulen im Blick: „Grundsätzlich werden durch die Reduzierung der Stunden jungen Menschen Chancen genommen. Besonders hier auf dem Lande sind einige Grundschulen zum Überleben auf die Subventionen für den Deutschunterricht angewiesen. Wenn diese wegfallen, sind die Bildung auf dem Land und weitere Lehrerstellen gefährdet." Verstörend fand er auch den Mechanismus der Entstehung der Verordnung. „Es reichte die Laune eines Abgeordneten, und eine Woche später war es Gesetz. Wenn man so die gesellschaftlichen Beziehungen in Polen regeln kann, trifft es bald jede andere Sprache, oder jede Gruppe, die wir nicht leiden können", kritisierte er.

Außerdem breche die polnische Regierung mit der Diskriminierung eigener Staatsbürger deutscher Nationalität die polnische Verfassung und darüber hinaus internationale Vereinbarungen zum Schutz von Minderheitensprachen, die sie unterschrieben hat, so Leyk. Jarosław Słoma, der Vorsitzende der Kommission für Minderheitenfragen beim Sejmik von Ermland-Masuren, fügte hinzu: „Die Kinder, Eltern und Lehrer werden zu Geiseln eines politischen Spiels mit dem Ziel, die Unterstützung nationa-listischer und xenophober Kreise zu bekommen und Polen gegen seinen westlichen Nachbarn aufzubringen." Denn auch die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Polen werden in dieser Frage instrumentalisiert.

Ein Ende des perfiden Spiels des Abgeordneten Kowalski, von Minister Czarnek und der polnischen Regierung ist im Moment noch nicht abzusehen. Mit ihren Pressekonferenzen hat aber die Deutsche Minderheit in Polen ein deutliches Signal gesetzt.