Erzähler von Format

Arno Surminski und seine Geschichten um Heimat und Fremde

von Silke Osman

‘Willst du später mal ein Buch daraus machen?‘ fragte Erich neugierig. ,Ich meine nur, diese ganze Schreiberei muß doch einen Sinn haben. Du kannst doch nicht einfach so Papier bemalen.‘ Herbert lachte, sagte aber nichts. ,Soviel Aufregendes, daß es für ein Buch reicht, haben wir doch gar nicht erlebt‘, meinte Erich. ,Über ein Jahr sind wir schon in Kanada und haben noch keinen Toten gesehen. Das ist doch langweilig. So etwas druckt keiner in einem Buch …‘” – Nun, es ist doch ein Buch geworden, ein so erfolgreiches gar, daß die Story auch für das Fernsehen verfilmt wurde, damals vor bald 20 Jahren. Fremdes Land oder Als die Freiheit noch zu haben war (jetzt als Ullstein Taschenbuch 24567 erschienen, 700 Seiten, 16,90 DM) war nach “Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland” und “Kudenow oder An fremden Wassern weinen” der dritte Roman des Ostpreußen Arno Surminski und basiert zum großen Teil auf seinen Erlebnissen bei den Holzfällern in Kanada. Mittlerweile hat der Ostpreuße 17 Romane und Erzählbände veröffentlicht.

“Fremdes Land” zeichnet ein lebendiges Bild vom Deutschland Mitte der fünfziger Jahre, lebt aber auch vom Vater-Sohn-Konflikt. – “Es war mir ein besonderes Anliegen, die beiden Generationen zu versöhnen, sie dahin zu bringen, daß sie sich besser verstehen”, so Surminski zum Ostpreußenblatt.

In der Reihe der frühen Ostpreußen-Bücher Surminskis ist “Fremdes Land” eine Ausnahme, wenn auch die Gedanken der Personen immer wieder einmal nach Ostpreußen zurückführen. Es ist die Geschichte des jungen Herbert Broschat, der in Ostpreußen geboren wurde und nach der Flucht mit seinen Eltern in einem Dorf in Schleswig-Holstein Unterschlupf findet. Das Leben in dem engen Behelfsheim, die Auseinandersetzungen mit dem Vater, die “kleinkarierten” Gewohnheiten der Dörfler, das klein gewordene Deutschland überhaupt lassen in dem jungen Mann den Entschluß reifen auszuwandern. – “Auswandern war ein Zauberwort. Dem immer noch vorhandenen Elend Nachkriegsdeutschlands entfliehen, den Schrottbergen, die Polluda so emsig mit seinem Dreiradwagen zusammenkarrte. Aber nicht allein dem materiellen Elend. Auch der kollektiven Verachtung, die den Deutschen entgegenschlug …”

Herbert geht 1955 gegen den Willen des Vaters nach Kanada, freundet sich schon auf der Überfahrt mit dem aus dem Ruhrgebiet stammenden Erich Domski an. Zusammen arbeiten sie bei den Holzfällern, “machen” ein paar Dollars, erleben aber vor allem auch die Weite des Landes. Doch so sehr Herbert sich auch bemüht, Deutschland zu vergessen, es gelingt ihm nicht. Und als Gisela, seine deutsche Freundin, ihm gar Zeitungen aus der Heimat schickt, kann er nicht umhin, immer wieder einmal darin zu schmökern. Als Erich Domski sich schließlich für einen anderen Weg entscheidet, ist Herbert allein. Immer wieder wandern seine Gedanken zu den Eltern, zu Gisela. Schließlich erhält er die Nachricht, daß sein Vater im Sterben liegt. – Was wird Herbert Broschat machen? Wird er zurückkehren nach Deutschland? – Was Arno Surminski gemacht hat, das weiß man; er ist zurückgekehrt und ist Schriftsteller geworden, ein erfolgreicher dazu. “Wir waren damals eine Gruppe von vier jungen Männern, die nach Kanada ging, um die Welt kennenzulernen und Geld zu verdienen”, hat Surminski einmal dem Ostpreußenblatt in einem Interview erzählt. “Von vornherein stand fest, daß wir nach Deutschland zurückkehren wollten. Für mich kam noch hinzu, daß ich schreiben wollte. Da wird einem spätestens im kanadischen Busch klar, daß ein Schriftsteller zu seinen Quellen zurück muß, vor allem zu den deutschsprachigen Quellen. Außerdem hatte ich einfach Heimweh nach Deutschland.”

Nach der Rückkehr aus Kanada hat Surminski in der Rechtsabteilung eines Versicherungsunternehmens gearbeitet. Aus dieser Zeit stammen auch seine Kenntnisse über diese Branche. Unter dem Titel “Versicherung unterm Hakenkreuz” erschien jetzt als Ullstein Taschenbuch (Nr. 35949, 270 Seiten, 16,90 DM) eine Dokumentation über die Rolle der Versicherungswirtschaft während des “Dritten Reichs”. Vor dem Hintergrund millionenhoher Forderungen von Holocaustopfern schildert der Autor ein den meisten Lesern sicher nicht geläufiges Kapitel deutscher Geschichte.

Eine ganz andere Seite seines Schaffens blättert Arno Surminski mit seinem neuen Buch “Die masurischen Könige” (Ullstein Verlag, Berlin. 272 Seiten, geb. mit farbigem Schutzumschlag, 29,90 DM) auf. In seinen teils heiteren, teils besinnlichen Weihnachtsgeschichten brilliert der Ostpreuße wieder einmal als Erzähler von Format. Da kann man lesen, wie es dazu kam, daß die Heiligen Drei Könige in einem Krippenspiel alle eine eigenartige Gemeinsamkeit aufwiesen, wie man Weihnachten in Poggenwalde, in Kudenow oder Jokehnen feierte oder was kurz vor Duderstadt geschah, als es die blutige Grenze quer durch Deutschland noch gab. Zum Schluß des Buches eine Besonderheit: ein Krippenspiel aus der Feder des Schriftstellers, das durchaus ironische Züge aufweist. Lesenswert – nicht nur zur Weihnachtszeit.

Der obenstehende Artikel wurde der Wochenzeitung “Das Ostpreußenblatt” vom 30. Oktober 1999 entnommen.
© Landsmannschaft Ostpreußen e.V.

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