Forschendes Tun

Zum Tod des Malers Fred Thieler aus Königsberg

von Silke Osman

Malen als “forschendes Tun”, Bilder als “Positionszeichen, nahe und ferne, unbekannte, offene und verschlüsselte”, als “Spuren auf den vielen menschlichen Wegen”, so hat Fred Thieler, einer der profiliertesten Vertreter des Informel, einmal seine Kunst definiert. – Am 6. Juni schloß er in Berlin für immer seine Augen.

Geboren am 17. März 1916 in Königsberg, studierte Thieler zunächst Medizin, leistete seinen Militärdienst ab und wandte sich nach dem Zweiten Weltkrieg der Kunst zu. In München studierte er Malerei bei Carl Caspar, war für kurze Zeit Mitglied der Künstlergruppe “ZEN 49”, die unter anderem von seinem Landsmann Rolf Cavael ins Leben gerufen wurde, hielt sich in Holland und Paris auf, bis er 1959 als Professor an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin berufen wurde (bis 1981). 1978 wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin berufen, deren Vizepräsident er von 1980 bis 1983 war. Weitere Ehrungen und Auszeichnungen folgten; auf Ausstellungen in Museen und Galerien wurden seine Werke gezeigt. 1985 wurde er mit dem Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde ausgezeichnet. Einem Maler übrigens, mit dem Thieler auch schon einmal verglichen wurde. “Seine Malpranke” gliche durchaus der des Meisters aus Tapiau.

Es waren meist großformatige Bilder, deren Leinwände Thieler in letzter Zeit meist auf dem Boden des Ateliers mit Farbe bearbeitete, Farbe, die er aus Dosen, Eimern oder Gießkannen ausschüttete. Sie gleichen ekstatischen Farbträumen, wirken wie Visionen einer inneren Welt, haben auch immer etwas Experimentierfreudiges an sich und zeugen von der “wunderbaren Unruhe” des Künstlers, wie Dieter Honisch es einmal ausdrückte, “die uns zum Nachdenken zwingt”.

Maler sein bedeutete für Fred Thieler, “die Existenz eines Zeitgenossen zu führen, der den Hauptteil seines Daseins mit dem Versuch verbringt, die Impulse seines Lebens: Anregungen wie Depressionen, Intuitionen wie berechnende überlegungen, Reaktionen aus Einzelerlebnissen wie Erlebnisketten, malend aufzuzeigen – oder im Malvorgang zu gewinnen …” Die Betrachter seiner “Spuren auf den vielen menschlichen Wegen” sind aufgefordert, dem Künstler auf diesen Wegen zu folgen und “korrespondierende Teilnahme” zu zeigen – auch nach dem Tod des Malers aus Königsberg.

Der obenstehende Artikel wurde der Wochenzeitung “Das Ostpreußenblatt” vom 17. Juli 1999 entnommen.
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