Adventstreffen im Zeichen des kulturellen Erbes

von Gerhild Haesner

Königsberg/Preußen, im Jahre 1701. „Adelsleute, Bürger, Gemeindemitglieder, wie die alten Juden in den Zeiten Salomo es erleben durften, so feiern auch wir heute solch einen Tag: die Krönung unseres preußischen Monarchen. Es lebe der König!“ Salbungsvoll ertönen die Worte aus Christophs Mund. Nanu, Zeitreise? Zumindest für einige Minuten.

Andere Szene: In einer Reihe nebeneinander senken die Männer kraftvoll ihre Spaten in die Erde, sie graben und graben, langsam vorrückend, während die Jahreszahlen auf den Kalenderblättern dahinfliegen, bis endlich das erste Schiff, von übermenschlicher Kraft getragen, seinen Weg von Osterode nach Elbing antritt: der Bau des Oberländischen Kanals!
Was ist los?
Nun, eigentlich befi nden wir uns alle im Jahre 2011 in einem großen Hotelsaal in Osterode, wo das alljährliche Adventstreffen der ostpreußischen Jugend stattfindet. Im Rahmen der „Ostpreußischen Meisterschaft“, deren zweiten Teil wir als Wettstreit mehrerer Gruppen durchspielen, bestand eine Aufgabe darin, ein Ereignis der ostpreußischen Geschichte szenisch darzustellen und die anderen Gruppen erraten zu lassen. Uns Zuschauern ist es ein reines Vergnügen, die mal ernsten, mal lustigen Darstellungen zu sehen, und sicherlich wird Geschichte dadurch auch den bislang weniger Interessierten im Gedächtnis haftenbleiben. Auch die anderen bei der Meisterschaft zu bewältigenden Aufgaben waren zumeist so gestaltet, daß nicht nur Wissen abgefragt, sondern im Spiel erworben wurde durch kombinatorisches Lösen und wiederholtes Auftauchen an verschiedenen Stationen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten.

So waren zuallererst aus einer Vielzahl von Abbildungen diejenigen herauszusuchen, die zu Ostpreußen gehörten, sei es Wappen, berühmte oder auch einfach typische Gebäude, aber auch Landschaften und Tiere. Störche? Ja, klar! Papageien? Quatsch! Aber welches Tor gehört nun zum Frauenburger Dom? Das Lübecker Holstentor sieht doch recht ähnlich aus. Häufi g gingen die Teilnehmer irgendwelchen brandenburgischen oder mecklenburgischen Schloßruinen auf den Leim, die sie kurzerhand voller Überzeugung als ostpreußisch einstuften.

Auf dieser Grundlage wurde als nächstes die Wahl eines Gruppennamens mit Bezug zu Ostpreußen gefordert, wobei neben allen möglichen „Elch“-Varianten „Der wilde Bärenfang“ besonders überzeugte. Im Anschluß waren geschichtliche Ereignisse den entsprechenden Jahreszahlen zuzuordnen sowie den Namen bedeutender ostpreußischer Persönlichkeiten ihre Leistungen und Konterfeis, was allenthalben gut gelang. Der Vortrag eines ostpreußischen Liedes nach Wahl stand auf dem Programm, und zum Abschluß waren geographische Kenntnisse gefragt. Einer Vielzahl ostpreußischer Städte sollten die jeweiligen
polnischen Namen zugeordnet werden, bevor dann mit den deutschen Städtenamen beklebte Flaschen
auf einer großen Landkarte ihren richtigen Platz finden mußten. Nur die Umrisse der Provinz sowie wichtige Flüsse und Seen waren eingezeichnet; für die Städte gab es rote Punkte. Aber welcher Punkt gehört zu welcher Stadt? Ein großes Kompliment an die Gruppe von Alexander Bauknecht, der es als einziger gelang, alle dreiundzwanzig Flaschen richtig zu postieren, und die mit ihren durchweg überzeugenden Leistungen den ersten Platz beim Spiel erringen konnte.

Natürlich wurde nicht nur gespielt beim Adventstreffen. Wie immer wurden in kleinen Gruppen deutsche Weihnachts- und Volkslieder erlernt sowie ostpreußische Tänze. Als drittes Angebot hatte man in diesem Jahr die Wahl zwischen Gedichtrezitation und Theater. Während die Theatergruppe das schöne Märchen von Frau Holle mit ganz einfachen, aber eindrucksvollen Mitteln und in einer für alle sprachlich zu bewältigenden Fassung mit Erzählertexten einstudierte, übten die anderen sehr einfache oder anspruchsvolle Weihnachtsgedichte – je nach Sprachvermögen – chorisch ein. So ertönten zum Beginn der mit Gästen gut besuchten Adventsfeier gruppenweise nacheinander aus allen vier Ecken des Raumes die Worte des bekannten Storm-Gedichtes „Markt und Straßen“ – ein sehr feierlicher Auftakt. Ein Wechsel von gemeinsamen sowie vom Chor einstudierten mehrstimmigen Liedern, Tänzen mit Kerzen, weiteren Gedichten, dem Märchenspiel sowie dem geistlichen Wort durch Herrn Kaplan Schmeier fand seinen Schlußpunkt mit einem schlichten, aber eindrucksvollen Tischspruch, bevor man in den geselligen Abschnitt des Abends mit Feuerzangenbowle, Schmausen und Gesprächen überging. Wie immer vergingen die drei Tage in Osterode eigentlich viel zu schnell, und das, obwohl alle Teilnehmer sehr bemüht waren, den Nachtschlaf möglichst kurz zu halten. Doch war das Erleben vor allem in der Begegnung mit alten und neuen
Freunden wieder so reich, daß es letztlich doch keinen Grund zur Traurigkeit gab. Trotz anstrengender Zeit sind wir voller Energie zurückgekehrt, im Kopf bereits lauter Ideen für das kommende Jahr. Nach dem Adventstreffen ist vor dem Adventstreffen.

Die Veranstaltung wurde aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert.

Pfarrer Schmeier bei einer Adventsansprache

Pfarrer Schmeier bei einer Adventsansprache

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