Wenn Neptun in Otterndorf tauft...

Kinderfreizeit 2005 an der Nordsee

Erneut richtete die Kreisgemeinschaft Schloßberg in Otterndorf unter maßgeblicher Hilfe des BJO eine Kinderfreizeit aus. Von Familie Schattauer organisiert und unter Beteiligung Peter Swobodas und mir selbst als Betreuer (alle BJO) sowie zwei weiteren Betreuern, erfreuten sich 13 deutsche, 10 russische und 4 litauische Kinder an der zwei Wochen währenden Freizeit mit viel Spaß und Spiel.

Vor etwa 5 Jahren hat die Kreisgemeinschaft Schloßberg ihre guten Vorkriegs-Beziehungen zur Stadt Neustadt (Kudirkos-Naumiestis) erneuert. Dadurch hieß es in diesem Jahr auch für die litauischen Kinder “Herzlich Willkommen!”.

Durch die Unterstützung der Kreisgemeinschaft Schloßberg und des Landkreises Harburg erhielten die russischen und litauischen Kinder, darunter auch einige Heimkinder, die wahrscheinlich einzige Möglichkeit ein anderes Land zu besuchen, eine andere Kultur kennen zu lernen und natürlich zwei Wochen unvergeßliche Ferien zu verleben. Aber auch die deutschen Kinder sollten herrliche Ferien genießen können.

Eines Sonntags abends konnten wir die litauischen Gäste herzlich begrüßen. Kreisvertreter Litty hatte den Kindern zuvor die Besichtigung Berlins ermöglicht. Als durchaus vorteilhaft erwiesen sich die Deutschkenntnisse der litauischen Betreuerin und einiger Kinder.

Irgendwann kamen dann auch die russischen Kinder aus dem Kreis Schloßberg. Da ich selbst der russischen Sprache mächtig bin, erwiesen sich die Sorgen der Kinder um die Verständigung als unnötig.

Im Übrigen bewahrheitete sich erneut ein alter Grundsatz: Trotz fehlender Russisch-, Litauisch – bzw. Deutschkenntnisse verstanden sich die Kinder der verschiedenen Nationalitäten von der ersten Minute an sehr gut. Am Anfang mit Händen und Füßen, später mit den neu erlernten Vokabeln. Manche versuchten es auch auf Englisch. Für mich als Betreuerin ist es immer wieder faszinierend, wie die Kinder sich dort zusammenfinden.

Was stand nun alles auf dem Programm? In der ersten Woche ist das Neptunfest zu nennen, bei dem fast alle Kinder und Betreuer vom Gott der Meere getauft wurden. Freilich mußten alle “Täuflinge” eine leckere aber scharfe Suppe (Ketchup, Senf, Chilisoße, Zitrone, Heringe) essen. Als Nachtisch wurde Schlagsahne und ein rohes Ei auf dem Kopf zerschlagen serviert.

Einen Ausflug unternahmen wir nach Hamburg, wo die russischen und die litauischen Kinder die tolle Möglichkeit erhielten, sich kostenlos einzukleiden. An dieser Stelle sei den Spendern ganz herzlich gedankt! Zur gleichen Zeit konnten sich die deutschen Kinder im Schwimmbad vergnügen. Anschließend fuhren wir gemeinsam zur Heimatstube der Kreisgemeinschaft Schloßberg, wo uns die Geschäftsführerin Frau Wiese herzlich begrüßte. Nachdem wir mit Kuchen und Süßigkeiten verwöhnt worden waren, bekamen wir die Möglichkeit, uns etwas näher mit der Geschichte Ostpreußens und des Kreises Schloßberg zu befassen.

Durch Fotos und viele andere Ausstellungstücke konnten sich die Kinder ein Bild über das Leben in Ostpreußen machen. Im Rahmen eines Lichtbildervortrags über das Thema “Damals und heute in Ostpreußen” erhielten die Teilnehmer einen Überblick über die Veränderungen der Lebensverhältnisse in dieser Region. Ein Vortrag von Peter Swoboda ergänzte das Thema.

Ich erklärte den Kindern, daß wir alle aus vier verschiedenen Nationen kommen, uns alle aber eine Gemeinsamkeit verbindet: Ostpreußen.

Gut gefallen hat uns auch eine Moorbahnfahrt. Wir genossen die pure Natur und bewunderten die schöne Landschaft. Am ersten Wochenende war eine große Überraschung angesagt. Um 2 Uhr nachts wurden alle plötzlich geweckt und machten sich für eine Nachtwanderung fertig. Zwei Stunden wanderten wir durch die Gegend bis zum Strand. Damit die Spannung stieg, erschreckte uns unterwegs ein Gespenst. In dunkler Nacht leuchteten uns helle Fackeln den Weg.

Ein herausragendes Erlebnis stellte ein Ausflug zu einem Bauernhof dar. Der dort verbrachte Abend mit Lagerfeuer, “Stockbrot”, Gesang und Tanz endete mit einer geheimnisvollen Nacht in Stroh und Heu.

Das Wetter war uns nicht immer gewogen, weshalb wir öfter ein Schwimmbad und eine Spielscheune aufsuchten.

In der zweiten Woche hatten wir wieder ein buntes Programm. Ein besonderer Höhepunkt war ein Ausflug in den Heide-Park in Soltau. Leider hatten wir oft zu wenig Zeit für zu lange Warteschlangen. Die Kinder waren aber dennoch von den vielen abenteuerlichen Geräten begeistert und gerade die russischen Kinder fühlten sich wie im Märchenland.

Eine Schnitzeljagd durch Otterndorf wurde mit großem Eifer und Ideenreichtum durchgeführt. Die Kinder bastelten auch kleine Erinnerungsgeschenke, die sie für ihre daheim gebliebenen Familienmitglieder mitnehmen wollten.

Mit den Vorbereitungen des Abschlußfestes begannen wir gleich zu Beginn der Freizeit: Einladungskarten wurden verschickt und wir probten fleißig jeden Tag das Theaterstück “Aurora von Primelstein”. Die Kinder mußten die deutschen Rollen auswendig lernen, obwohl manche von ihnen gar kein Deutsch verstehen. Das Theaterstück erwies sich als große Herausforderung. Dennoch, den Erfolg konnte man zum Abschlußfest sehen. Die Kinder und Betreuer schneiderten selbst die Kostüme und gestalteten das Bühnenbild. Außerdem lockten die Klänge aus den Probenräumen immer wieder Zuhörer an.

Dann war es soweit, die einstudierten Lieder, wie “Katjuscha”, “Drei kleine Wölfe”, unser Lieblingslied “Freunde” und das Theaterstück wurde den Eltern und anderen geladenen Gästen präsentiert. Viel Beifall bekam auch der Solo-Gesangsvortrag von Agnes aus Litauen. Die Kinder bedankten sich bei allen für die wunderbaren Ferien mit eigenen Worten eines kirchlichen Liedes “Danke…”. Zum Schluß sangen wir schon leicht wehmütig das Ostpreußenlied “Land der dunklen Wälder”.

Ich hoffe, daß die neu geschlossenen Freundschaften auch nach Ende des Ferienlagers gepflegt werden und irgendwann die Möglichkeit besteht, sich wieder zu sehen. So wie wir es sangen: “Freunde bleiben Freunde…”

Nicht alle Kinder fuhren gerne nach Hause zurück. Vor allem die Kinder aus dem Waisenhaus mußten in die eigene, graue Wirklichkeit zurückkehren.

Aneta Maciąg

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