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„Ampel“-Pläne

Das Wort „Vertriebene“ kommt nur einmal vor

Was der rot-grün-gelbe Koalitionsvertrag für Heimatvertriebene und Heimatverbliebene erwarten lässt

Bodo Bost
28.12.2021

Im Gegensatz zum Koalitionsvertrag der vorausgegangenen Großen Koalition des Jahres 2018 sind in dem am 24. November in Berlin vereinbarten Koalitionsvertrag der Ampelkoalition zwar seitenlange Ausführungen über Asyl, Flucht und Integration enthalten, aber nur noch ganz wenige über die deutschen Vertriebenen. Nur ein einziges Mal kommt das Wort „Vertriebene" in dem Vertrag vor, und zwar auf der Seite 118, wo die Vertragsparteien sich zum „Erbe der Vertriebenen und Aussiedler" bekennen. Im Gegensatz zu den in Deutschland lebenden Volksgruppen der Dänen, Friesen, Sinti und Roma sowie Sorben ist von den heimatverbliebenen Teilen der deutschen Volksgruppen in Osteuropa im Koalitionsvertrag keine Rede mehr. Wie es mit der kulturellen und sozioökonomischen Förderung dieser deutschen Minderheiten, die unter den Kriegsfolgen mit deren fatalen Auswirkungen für ihre kulturelle Identität bis heute besonders leiden, weitergeht, ist also offen.

Kommentierung durch den BdV

Der Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), der Siebenbürger Sachse Bernd Fabritius (CSU), der seit 2018 auch Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten ist, bescheinigte dem Koalitionsvertrag in einer Pressemitteilung des BdV „gute Ansätze", auch wenn „entscheidende Fragen offenblieben". Es sei gut, dass sich die Ampel-Koalition ausdrücklich hinter das „kulturelle Erbe der Vertriebenen, Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler" stelle. Die Nichterwähnung von deutschen Minderheiten in den Heimatgebieten im neuen Koalitionsvertrag könnte jedoch „für die bisherige Kulturpolitik des BdV" fatale Folgen haben.

Der BdV begrüßt dagegen, dass auch die neue Bundesregierung an der Einrichtung eines Härtefallfonds für rentenrechtlich benachteiligte Spätaussiedler festhalten wolle. Allerdings fordert der BdV, dass auch die vor 1993 in Deutschland angekommenen Aussiedler in diese Gruppe Aufnahme finden. Die Lebensarbeitsleistung und den deutlichen Generationenbeitrag dieser gesellschaftlichen Gruppe für das Solidarsystem müsse in der Rentenversicherung anerkannt werden.

Kommentierung durch die FUEN

Die neue Ampel-Koalition hat auch der „Minority SafePack Initiative" (MSPI) im Koalitionsvertrag ihre Unterstützung zugesagt. Die MSPI ist eine Initiative der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen, der Interessenvertretung der autochthonen und nationalen Minderheiten Europas (FUEN). FUEN-Präsident Loránt Vincze begrüßte dieses Bekenntnis der Bundesregierung ausdrücklich, da es auf EU-Ebene weiterhin „an einem wirkmächtigen und überprüfbaren Schutzmechanismus für Minderheiten fehlt". Gleichzeitig bedauert der FUEN-Präsident, dass es im neuen Dokument der Ampel-Regierung nicht zu einem Bekenntnis zu den zahlreichen deutschen Minderheiten im europäischen Ausland gekommen ist, wie in allen bisherigen Koalitionsverträgen. Die FUEN vertritt auch die deutschen Minderheiten in Europa.

Fraglich ist, ob das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, das 1988 unter Bundeskanzler Helmut Kohl beim Bundesministerium des Innern eingerichtet worden ist, erhalten bleibt, da sich im Ampel-Koalitionsvertrag nichts zu einem Arbeitsauftrag für das Amt findet. Der ehemalige Aussiedlerbeauftragte Hans-Peter Kemper (SPD) aus Nordrhein-Westfalen hat in einer ausführlichen Stellungnahme der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) „die Notwendigkeit eines Beauftragten für Aussiedler und nationale Minderheiten dargelegt", wie er in einem Schreiben der PAZ versicherte. Eine Durchschrift dieser Stellungnahme hat auch der mit ihm befreundete Vorsitzende der SPD-Fraktion Rolf Mützenich erhalten. Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde das Amt 2002 durch die Beauftragung für die nationalen Minderheiten ergänzt.