BJO-Abend Brandenburg

von Gerhard Schumann

Nach jahrelangem Stillstand haben sich endlich einige BJO-Mitglieder zusammengefunden, um dem Regionalverband Mitte neues Leben einzuhauchen. Am 23. September 2011 war es dann soweit. Dank der Organisation des Beauftragten für den Regionalverband Mitte, Martin Rautenberg, fand sich am idyllischen südlich von Berlin gelegenen Zeschsee eine kleine Schar von Ostpreußenbegeisterten zusammen, um Gemeinschaft und Heimat zu erleben und sich über die zukünftige landsmannschaftliche Arbeit auszutauschen. Besonders erfreulich war die Teilnahme einiger Kinder von älteren BJO-Mitgliedern, die sich eifrig ans Holzsammeln für das Lagerfeuer machten, an dem wir zu abendlicher Stunde die alten Lieder unserer ostpreußischen Heimat aufleben ließen. In diese fröhliche Runde mischten sich aber auch nachdenkliche Töne. Anlaß dazu war die Rede des neuen Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Stefan Grigat, auf dem Deutschlandtreffen in Erfurt, in der er im Gegensatz zu anderen Rednern dem Zustand der deutschen Volksgruppe in Ostpreußen einen recht großen Platz eingeräumt hat. Gerhard Schumann hat diese Rede zum Anlass genommen, den Zustand der deutschen Volksgruppe im südlichen Ostpreußen unter Bezugnahme von Grigats Aussagen in einem Kurzvortrag einer genaueren Untersuchung zu unterziehen.

Die Bewahrung und Weiterentwicklung der deutschen Kultur Ostpreußens, wie Grigat es fordert, ist eine der größten Herausforderungen für die zukünftige landsmannschaftliche Arbeit. Anlaß zur Sorge bietet hier die desolate Lage der deutschen Vereine, denen diese Aufgabe naturgemäß zukommen sollte. Zu beklagen sind insbesondere die unzureichenden Deutschkenntnisse und der oftmals fehlende Wille, sich als Deutsche zu bekennen. Die älteren Heimatverbliebenen sind kein Vorbild für Jüngere, da sie selbst untereinander nur Polnisch sprechen. Der Beherrschung der deutschen Sprache kommt jedoch eine Schlüsselrolle bei der Bewahrung der deutschen Identität in Ostpreußen zu, da nur durch sie eine Assimilierung an das Polentum vermieden werden kann. Daher ist es dringend geboten, das Erlernen des Deutschen wesentlich nachdrücklicher einzufordern als bisher, und am Grad der Sprachbeherrschung die Gewährung finanzieller Mittel zu koppeln. Die deutsche Kultur Ostpreußens bewahren und weitergeben kann nur, wer sich selbst als Deutscher sieht und über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt.
Wie also kann der Bestand der deutschen Volksgruppe am besten gesichert werden, wie Grigat es fordert? Dazu solle sich die Landsmannschaft Ostpreußen in stärkerem Maße als bisher den Angehörigen der Deutschen Volksgruppe in Ostpreußen zuwenden. Ziel müsse, wo möglich und gewünscht, eine Schul- und Berufsausbildung in deutscher Sprache sein. Ziel müsse weiter sein, auch der nachwachsenden Generation übergreifend – ob aus Ostpreußen oder aus dem Bundesgebiet – eine Lebensperspektive in Ostpreußen zu geben. Leben und arbeiten für Deutsche in Ostpreußen – innerhalb EU-Europas eine theoretische Selbstverständlichkeit – müsse auch praktische Realität, Selbstverständlichkeit werden, so der Sprecher. Eine Möglichkeit, diesem Anliegen Gehör zu verschaffen, bieten die Kommunalpolitischen Kongresse, die Grigat als ein „erfolgreiches Konzept“ bezeichnet. Dieses „erfolgreiche Konzept“ hat die Korrosion der deutschen Volksgruppe bisher jedoch nicht aufhalten können. Dies kann nur durch eine dauerhafte Verankerung der deutschen Sprache und der Ansiedlung von Bundesdeutschen in Ostpreußen verhindert werden. Bei den Kommunalpolitischen Kongressen sollten daher eine Erhöhung der Anzahl der Deutschstunden, die Einführung von Deutsch als erster Fremdsprache, eine Verbesserung der Qualität des Deutschunterrichts sowie zweisprachige Orts- und Straßenschilder eingefordert werden.

„Ostpreußen muss als Teil des historischen Deutschlands im Bewußtsein des Deutschen Volkes verankert werden“, so Grigat. Dazu ist es zunehmend notwendig, mit anderen Verbänden in der BRD zusammenzuarbeiten, wenn das deutsche Ostpreußen nicht in Vergessenheit geraten soll, zumal das Bewußtsein in der Bundesrepublik für den früheren deutschen Osten als deutscher Kulturraum in den letzten Jahren zugenommen hat. Insbesondere bei den Jugendbünden ist ein überdurchschnittlich großes Interesse am früheren deutschen Osten vorhanden.

Grigat hält die Unterstützung der Heimatverbliebenen für alternativlos. Der Referent ergänzt, daß eine Unterstützung der Heimatverbliebenen jedoch nur dann sinnvoll sei, wenn sie darauf ausgerichtet sei, daß die Heimatverbliebenen dauerhaft dazu gebracht würden, selbständig, regelmäßig und ohne Involvierung der Landsmannschafft Ostpreußen (LO) Aktivitäten zum Erhalt der deutschen Volksgruppe zu unternehmen.
Fazit: Die derzeitige landsmannschaftliche Arbeit hält die Auflösung der deutschen Volksgruppe in Ostpreußen nicht auf, verlangsamt sie allenfalls punktuell. Um das zu ändern, sollte die LO die folgenden Kernbereiche erheblich stärker als bisher berücksichtigen:

  • Fördern und Fordern der deutsche Sprache
  • Einfordern eines deutschen Unterrichtswesens
  • Förderung und Hilfestellungen bei der Ansiedlung von Bundesdeutschen in Ostpreußen

Die Vergabe von Mitteln muß sich strikt daran orientieren, ob diese zum dauerhaften Erhalt der deutschen Volksgruppe beitragen.

Am nächsten Morgen machte sich die Gruppe nach Morgenfeier und Schlußrunde auf, die Gegend zu erkunden. Unter fachkundiger Führung besichtigten wir das nahegelegene Wünsdorf, das bis zum Ende des Kalten Krieges eines der größten Militärgelände Deutschlands beherbergte. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren hier das Oberkommando des Heeres und das Oberkommando der Wehrmacht untergebracht. Während der Besatzungszeit richtete die Sowjetunion hier den Sitz des Oberkommandos ihrer Streitkräfte in Deutschland ein. Nach dem Abzug der russischen Soldaten wurden die Kasernen teils zu Wohnhäusern umgebaut, teils von Behörden bezogen. Auf dem sogenannten Halbmondlager sind muslimische Gefallene aus arabischen Ländern und dem heutigen Indien und Pakistan, die während des Ersten Weltkrieges in der britischen und französischen Armee gedient hatten, bestattet. Diese Kriegsgräberstätte befindet sich in einem sehr gepflegten Zustand. Zum krönenden Abschluss begaben wir uns in eines der wenigen Bücherdörfer Deutschlands, das auf dem ehemaligen Militärareal angesiedelt ist.

Insgesamt kann man feststellen, daß wir ein sehr facettenreiches Wochenende verlebt haben, während dessen wir viel über (ost)preußische Geschichte und Kultur erfahren haben sowie interessante und abwechslungsreiche Besichtigungen unternommen haben. Aller Anfang ist schwer. Nun, wo der Anfang gemacht ist, bleibt jedoch die Zuversicht, daß die Abstände zwischen den Treffen des Regionalverbandes Mitte kürzer werden.

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