Das Ermland - Einleitung

Das Ermland umfaßt die fünf ostpreußischen Kreise Braunsberg, Heilsberg, Rössel, Allenstein-Stadt und Allenstein-Land mit zusammen 4248,62 km² und 277 909 Einwohnern (nach der Volkszählung von 1939). Die fünf Kreise bilden ein Dreieck, dessen abgestumpfte Spitze zwischen Frauenburg und der Passargemündung am Frischen Haff liegt.

Nikolaus Copernikus in Allenstein

Nikolaus Copernikus in Allenstein

Wer durch das Land reiste, dem fielen die Kreuze und Kapellen an den Wegen und in den Vorgärten auf und auch die vielen stattlichen Bauernhöfe. Das Ermland war eine katholische Insel in der evangelischen Provinz Ostpreußen, es war ein Bauernland mitten im Gebiet des Großgrundbesitzes. Keine natürlichen Grenzen trennten es von den Nachbargebieten, nur durch die geschichtliche Entwicklung ist die Sonderstellung des Ermlandes innerhalb Ostpreußens zu erklären.

Die Gegend von Braunsberg über Mehlsack und Wormditt bis Guttstadt und über Heilsberg bis Rössel gehört zu den fruchtbarsten Gebieten Ostpreußens, keine großen Güter, aber überall wohlhabende Dörfer und schmucke Abbauten.

Neben dem Ackerbau widmeten sich die ermländischen Bauern in steigendem Maße der Viehzucht und der Milchwirtschaft sowie auch der Pferdezucht. Die mittelschweren ermländischen Pferde wurden immer mehr geschätzt.

Zwischen den wohlbestellten Feldern und fetten Weiden fehlte es nicht an Naturschönheiten. Im Walschtal fand der naturfrohe Wanderer ein unberührtes Naturschutzgebiet mit seltenen Pflanzen, an der Simser und der Alle anmutige Flußtäler, und im Kreis Allenstein war er mitten im Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen.

ADOLF POSCHMANN

Historischer Überblick über das Bistum Ermland

1243 hatte der Papst gefordert, daß in Preußen vier Diözesen errichtet würden. So schlug 1251 die Geburtsstunde für das Fürstbistum Ermland – das die späteren Kreise Braunsberg, Heilsberg, Rössel und Allenstein umfaßte.

An der Spitze des Fürstbistums stand der Bischof in doppelter Funktion, als Kirchen- und als Landesfürst. Er war der höchste Geistliche in seinem kirchlichen Verwaltungsbezirk, war aber auch, wie überall im Reich, Landesherr über einen Teil der Diözese, das sogenannte Fürstbistum.

Ein Drittel des Bistums war bei dessen Gründung dem Domkapitel unterstellt worden. Auch dieses besaß in seinem Teil Landeshoheit. Seit 1288 war der Sitz des Domkapitels Frauenburg am Frischen Haff. Als das Bistum 1346 endgültig aufgeteilt wurde, unterstanden dem Domkapitel die Kammerämter Frauenburg, Mehlsack und Allenstein. Der Bischof von Ermland residierte seit 1350 in Heilsberg.

Dem Frauenburger Domkapitel gehörten sechzehn geistliche Herren an, unter ihnen vier Prälaten des Dompropstes, Domdechanten, Domkustos und Domkantor.

Blick auf das Frische Haff

Blick auf das Frische Haff

Da das Kapitel seine landesherrlichen Rechte nicht als Kollektiv wahrnehmen konnte, bestellte es alljährlich am Allerheiligentage einen Domherren zum Kapiteladministrator oder Landpropst. Dieser verwaltete die Bezirke Mehlsack und Allenstein von der Kapitelburg Allenstein aus. Beide selbständigen Landesherren des Fürstbistums – der Bischof wie auch das Domkapitel – waren hinsichtlich der Verwaltung, Gesetzgebung und Gerichtswesen eigenmächtig. Der militärische Schutz des Fürstbistums – seine Außenpolitik also – oblag dem Deutschen Orden. Sein Hochmeister nannte sich Schirmvogt des Bistums.

Nach der Niederlage des Ordens bei Tannenberg im Jahr 1410 nahm die Unzufriedenheit der Städte im Preußenland wie auch der Adelsgeschlechter mit dem Regiment des Ordens rasch zu. Auf Geheiß von Kulm und Thorn schlössen diese sich am 21. Februar 1440 zu „Nutz und Frommen Gott zu Lobe, dem gnädigen Herrn Hochmeister, seinem Orden und Landen zu Ehren” zum Preußischen Bund zusammen. Dieser wurde am 15. März 1440 in Marienwerder besiegelt.

Als Hochmeister Paul von Rußdorf, der den Bund gebilligt hatte, am 2. Januar 1441 abdanken mußte, rebellierten unter der Führung des mächtigen Thorn die preußischen Städte wider die Herrschaft des Ordens. Selbstbewußt stellten sie Forderungen, vor allem auf den Gebieten der Wirtschaft und Sozialordnung. Sie hatten es satt, sich länger von den Rittern bevormunden zu lassen. Sie waren es leid, dafür Abgaben zu zahlen. Sie bestanden auf ihren Rechten.

Da der Orden ihren Wünschen nicht freiwillig nachgab, kam es zum Abfall des Bundes vom Orden. Die drei Städte Thorn, Elbing und Danzig erhielten unabhängig voneinander 1457 den Status einer „freien Stadt”, unter der nominellen Oberhoheit König Kasimirs IV. in dessen Eigenschaft als Herzog von Preußen und im Verbund mit dem Preußenland. Sie waren weiterhin im Landtag und Landesrat vertreten, führten ihre eigene Außenpolitik, unterhielten eigene Truppen, hatten eine eigene Flagge und prägten, was das Wichtigste für sie war, eigene Münzen. Wie gut ihnen die Freiheit bekam, zeigte sich im 16. Jahrhundert. Danzig zählte bereits 60 000 Einwohner.

Dem Orden bekam der Widerstand der Städte schlecht. Er geriet in arge Geldschwierigkeiten, so daß der Hochmeister 1457 gezwungen war, seinen Hochmeistersitz, die Marienburg, an seine Söldner zu verpfänden, die ihr Pfand, als er es wieder einlösen wollte, an den mehrbietenden König verkauften. Es war für Kasimir IV. aus der Dynastie der Jagellonen ein Triumph, als er hier einziehen konnte. Dem Hochmeister blieb nichts anderes übrig, als nach Königsberg überzusiedeln.

1464 unterstellte sich auch das Ermland aus freien Stücken König Kasimir IV. in dessen Eigenschaft als Herzog der Lande Preußen, behielt die innere Verwaltung ebenfalls in eigener Hand und überließ dem Monarchen allein die Schutzherrschaft über das Bistum. Es änderte sich damit nur wenig, an die Stelle des Hochmeisters war der König getreten, doch der König war mächtiger und bot dem Bistum sichereren Schutz.

Dieses wurde in dem nie ganz rechtswirksam gewordenen Zweiten Thorner Frieden von 1466 für das westliche Preußen, das fortan auch Königlich Preußen genannt wurde, wie für das Ermland bestätigt. Der Orden verlor das Kulmer Land und Pomerellen, das Gebiet um Marienburg, Christburg und Elbing. Das Bistum Kulm wurde kirchenrechtlich dem Bistum Gnesen unterstellt.

Das Ermland blieb selbständig unter der Oberhoheit des Königs. Dem Hochmeister des Deutschen Ordens wurde auferlegt, dem König als „polnischer Reichsrat” den Treueid zu leisten. Kaiser Friedrich III. und Papst Paul II. weigerten sich jedoch, diesem Friedensschluß ihre Zustimmung zu geben.

Am 5. August 1772, bei der Ersten Teilung Polens, fiel das Ermland an Preußen und teilte seitdem dessen Geschichte. 1945 wurde es, nach Ausgang des II. Weltkrieges, von den Russen besetzt und später polnischer Verwaltung unterstellt.

Im Jahre 1972 wurde im Rahmen der Neuregelung der Ost-Diözesen durch den Vatikan, unter Berufung auf den zuvor ratifizierten Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen erstmals ein polnischer Bischof für die Diözese Ermland eingesetzt.

GEORG HERMANOWSKI

Kirchen und Burgen im Ermland

Die Besiedlung des Ermlandes wie des ganzen Ordenslandes erfolgte mit einer gewissen Großzügigkeit, die der weiträumigen Landschaft entsprach.

Die Bauern erhielten größere Grundstücke, als ihre Väter in Westdeutschland besaßen, die Städte wurden planmäßig mit geraden Straßen angelegt, sie hatten einen großen Marktplatz, und in seiner Mitte stand das behäbige Rathaus, der Stolz der Bürger. Die Kirchspiele waren ausgedehnter als in West- und Süddeutschland, die Dorfkirchen geräumig, in den Städten hohe, stattliche Hallenkirchen, allen voran die Pfarrkirche St. Katharina in Braunsberg (erbaut 1346-1442) und die Domkirche des Kollegiatstifts zu Guttstadt (1373-1396). Nur die Wormditter Kirche (geweiht 1379, erweitert im 15. Jahrhundert) hatte statt der Seitenschiffe an jeder Langseite eine Reihe von Kapellen, übertroffen wurden alle Gotteshäuser des Ermlandes von der Kathedrale „Unserer Lieben Frau” am Frischen Haff, diesen „Dom am Meer” hat man mit Recht ein Meisterwerk der Backsteingotik genannt. Der Name Frauenburg ist in der ganzen Welt bekannt, denn hier lebte der berühmte Domherr Nikolaus Kopernikus (1473-1543).

Der Dom von Frauenburg - Copernicus' Wirkungsstätte

Der Dom von Frauenburg - Copernicus' Wirkungsstätte

Alle diese Kirchen und auch die ermländischen Burgen wurden im Stil der Backsteingotik errichtet, viele zeigen den charakteristischen Treppengiebel oder Staffelgiebel sowie Blenden und geputzte Bänder, wie zum Beispiel in Wuslack. Der größte Förderer der Bauten war der Fürstbischof Heinrich III. Sorbom (1373 bis 1401), ein Zeitgenosse des Hochmeisters Winrich von Kniprode (1351-1382), unter dessen glanzvoller Regierung das Ordensland seine Blütezeit erlebte. Zur Zeit Heinrich Sorboms schritten auch die Arbeiten an den ermländischen Burgen rasch vorwärts, namentlich an seinem Residenzschloß Heilsberg.

Im 16. Jahrhundert zog der Barockstil ins Ermland ein. Damals bauten die Jesuiten in Braunsberg das Steinhaus (1691-1694) und fast gleichzeitig die Wallfahrtskirche in Heiligelinde (1687-1693), die östlichste deutsche Barockkirche, bald danach entstand die Wallfahrtskirche in Crossen (1715-1720). In jener Zeit setzte man die kecken Dachreiter auf die Kirchen und Rathäuser, damals erhielten der Glockenturm des Frauenburger Domes (1683-1687) und der Turm der Heilsberger Pfarrkirche (um 1700) ihre „welschen Hauben”. In Bischofstein, Bischofsburg und Wartenburg brannten die Kirchen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus und wurden im Stil der Zeit erneuert und erweitert. Der neue Geschmack setzte sich immer mehr durch. Nach und nach erhielten die meisten Kirchen barocke Ausstattung mit reicher Vergoldung, so hatten wir im Ermland viele gotische Kirchen mit barocken Altären und Kanzeln.

Vor 600 Jahren strichen unsere Vorfahren die Ziegel selbst und bauten mit sehr bescheidenen Mitteln die wuchtigen Türme, die schönen Giebel und die hohen Gewölbe. Aber sie hatten einen natürlichen Kunstsinn und entwickelten einen guten Geschmack, um den wir sie beneiden. Und unsere Väter haben solide Arbeit geleistet, die meisten Kirchen des 14. Jahrhunderts waren bis 1945 wohl erhalten, gut gepflegt und reich ausgestattet. Wurde ein Neubau notwendig, so wählte man im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert den neugotischen Stil, wie zum Beispiel bei der Kirche in Mehlsack und der Herz-Jesu-Kirche in Allenstein und in etlichen Dörfern. Die roten Ziegelbauten der Neugotik fand man auch bei vielen Kirchen der Diaspora. Erst in den letzten Jahrzehnten suchte man neue Formen zu entwickeln.

Quelle

Die abgedruckten Texte stammen aus dem Arbeitsbrief “Das Ermland”, herausgegeben von der Landsmannschaft Ostpreußen e.V., Abteilung Kultur. Sämtliche Arbeitsbriefe können » hier kostenlos heruntergeladen werden.

RSS-Feed-Icon