Ostpreußische Landeskunde:

- eine kleine landeskundliche Grundausbildung –

1. Allgemeine Landeskunde

Ostpreußen, die nordöstlichste Provinz mit rund 39.000 km² Fläche, hatte im Jahre 1939 2,6 Millionen Einwohner. Allein in der Hauptstadt Königsberg lebten 372.000 Einwohner (14,3 %). Mit 66,6 Einwohnern je km² war Ostpreußen vergleichsweise dünn besiedelt; die Einwohnerzahl heute in Ostpreußen ist etwa gleich, wobei besonders deutlich im nördlichen Ostpreußen eine Aufgabe des dörflichen Bereichs zu einer Konzentration in städtischen Ansiedlungen erfolgte.

Das Klima ist kontinental geprägt: recht warme Sommer, kalte Winter.

 
 
  Januar Juli Jährliche Niederschlagsmenge in mm

Königsberg

-2,8 17,1 707

Lübeck

0,5 16,8 631

Aachen

3 17,8 860

Freiburg

9 19,3 884

Leipzig

-0,3 18,4 581

Die Landschaft wurde durch die Eiszeit gestaltet: Moränen und Seen. Insgesamt sind 4 % der Landesfläche Wasser. Die 220 km lange Ostseeküste wird durch das Frische und das Kurische Haff bestimmt, die das Samland mit seiner Bernsteinküste voneinander trennt. Nehrungen scheiden die Haffs von der Ostsee und bilden so eine eindrucksvolle “Ausgleichsküste”. Während der Süden des Landes (Oberland, Masuren) leichte, sandige Böden hat, findet sich in der Landesmitte schwerer Ackerboden. In den Flußniederungen liegen Weiden und Wiesen. Im Westen begrenzt die Weichsel Ostpreußen, im Norden die Memel, beide münden in Delten in die Ostsee.

2. Seen, Haffs und Ostsee

Gerade im Süden (Oberland, Masuren) bilden die Seen. einen bestimmenden Teil der Landschaft. Sie sind von sehr unterschiedlicher Größe und Art: von stattlicher Teichgröße bis 104 km² (Mauersee) und 120 km² (Spirdingsee), und in der Tiefe variieren sie von wenigen Metern bis zu 58 Metern Tiefe. Diese Seenplatte fördert eine starke Wolkenbildung, die der Landschaft einen zusätzlichen charakteristischen Reiz verleiht.

Oberländischer Kanal: Schiffe rollen über Land

Oberländischer Kanal: Schiffe rollen über Land

Die zentralen Flüsse Ostpreußens sind der Pregel und sein Nebenfluß Alle, die über ein Wasserkraftwerk bei Friedland erheblichen Strom für Ostpreußen lieferte. Bei Königsberg teilt sich der Pregel und bildet eine Insel, die als Kneiphof (Dominsel) einen ursprünglichen Stadtteil Königsbergs trägt. Wenige Kilometer unterhalb mündet der Pregel ins Frische Haff. Mit seinem Außenhafen Pillau auf der Nehrung ist Königsberg durch den “Königsberger Seekanal” – eine 40 Kilometer lange Haffrinne – verbunden. Diese läßt auch größere Schiffe Königsberg anlaufen.

Längs der Ostseeküste reihen sich mehr als 15 teils bedeutende Badeorte: Kahlberg, Cranz, Rauschen, Neukuhren, Neuhäuser, Nidden, Nimmersatt sind die bekanntesten. Nidden genießt Ruhm als Künstlerort, Cranz entwickelte sich schon Ende des 19. Jahrhunderts zum mondänen Seebad.

Kanäle verbinden die natürlichen schiffbaren Gewässer. Eine Besonderheit ist der Oberländische Kanal, der einen Höhenunterschied von 104 Metern zwischen Osterode im Oberland und Elbing nicht durch Schleusen, sondern durch fünf geneigte Ebenen überwinden läßt. Flachbodige Schiffe schwimmen in einen dockähnlichen Wagen und werden auf Schienen über die Erhebung gezogen (erbaut 1844/60).

Ein weiterer Kanal, der Masurische Kanal, sollte die Seen mit Alle und Pregel verbinden. Er wurde – durch den Krieg bedingt – nicht mehr vollendet und war für Kähne bis 250 Tonnen geplant.

3. Bodenschätze

Ostpreußen ist weitgehend ohne industriell bedeutende Bodenschätze. Zwei natürliche Vorkommen sind jedoch von Bedeutung: Ton und Bernstein. Ton, zu Backstein verarbeitet, war der Grundstoff für die mittelalterliche und neuzeitliche Architektur. Hiervon legen sowohl die Marienburg und die anderen Ordensburgen und Kirchen Zeugnis ab als auch die Meisterwerke moderner Architektur: der Hauptbahnhof Königsberg, die Ostmessebauten. Aus besonderen Tonvorkommen entwickelte sich die Majolikamanufaktur in Cadinen, bekannt für kontrastreiche rot-blau-goldfarbene Geschirre und historische Plastik, und die volkskundlich angeregte Produktion in Lasdehnen mit den typischen Kornblumen- und Herzmotiven.

Bernstein: Die Tränen der Götter

Bernstein: Die Tränen der Götter

Bernstein ist fossiles Harz, das vor 55-35 Millionen Jahren in Nadelwäldern entstand und sedimentiert bis heute in Palmnicken im Samland im Tagebau gewonnen wird. Außerdem wird er freigespült im Uferbereich der Ostsee gefunden. Seit der Antike ist er als Schmuck- und Amulettmaterial beliebt. Heute hat er auch in der Industrie gewisse Bedeutung. In diesem fossilen Harz finden sich zudem oft Insekten und andere Kleinlebewesen des Tertiär, was für die Paläontologie von Bedeutung ist.

4. Burgen und Städte

Gleich im Zuge seiner Eroberung und Eingliederung der uransässigen Prussen legte der Deutsche Orden Dörfer und Städte an, zuerst im späteren Westpreußen: 1231 Thorn, 1232 Kulm, 1233 Marienwerder, 1237 Elbing, dann im späteren Ostpreußen 1241 Braunsberg, 1252 Memel, 1255 Königsberg und 1270 Frauenburg. 1279 wurden Burg und Stadt Marienburg gegründet. Insgesamt entstanden im Schutz von Burgen allein im 14. Jahrhundert 97 Städte im Preußenland, und es wurden 1400 Dörfer in diesem zuvor dünn besiedelten Land angelegt. Der Stil der Backsteingotik an Stadttoren, Rathäusern und Kirchen und die gegliederten Grundrisse der Städte und Dörfer weisen diese bis heute als planvoll gegründete Orte aus.

Frauenburg: Eingangsportal zum Dom

Frauenburg: Eingangsportal zum Dom

Königsberg

Die Hauptstadt Ostpreußens war seit der Ordenszeit ein Zentrum des Landes. Die Übernahme des Hochmeistersitzes (1467), die Residenzübernahme auch für das neue Herzogtum (1525) und die Universitätsgründung (1544) durch Herzog Albrecht förderten die herausragende Stellung weiter. Seit 1701 war Königsberg zudem Krönungsstadt der preußischen Könige. Der seit der Hanse ausgeprägte Handel gedieh im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiter. Der Ausbau von Binnen- und Außenhafen mit den damals größten Silos Europas, eine gute Eisenbahnanbindung und ein leistungsfähiger Flughafen mit der ersten Nachtflugstrecke nach Moskau waren Grundlage für den Handel mit Osteuropa. Königsberg war Drehscheibe des Osthandels. Das bezeugt auch die 1920 gegründete Ostmesse, die den Handel mit der jungen Sowjetunion und den neuen baltischen Staaten förderte.

Die Universität “Albertina” genoß hohes Ansehen, nicht nur, weil Kant dort gelehrt hatte. Eine Handelshochschule, eine Kunstakademie, eine Kunst- und Gewerkschule und leistungsfähige Schulen (u. a. “Collegium Fridericianum”) rundeten ein Angebot höherer Ausbildung ab. Bedeutende Kunstsammlungen, Parks und soziale Einrichtungen machten Königsberg zu einer modernen Stadt, was eine neue, richtungsweisende Architektur unterstrich.

Königsberger Hafenviertel mit alten Speicher (Lastadie)

Königsberger Hafenviertel mit alten Speicher (Lastadie)

Neben dem Regierungssitz Königsberg sind zu nennen:

Gumbinnen (55.000 Einwohner) im Ostteil der Provinz war Sitz eines Regierungsbezirkes. Hier wurden 1732 die ausgewiesenen Salzburger angesiedelt.

Allenstein (52.000 Einwohner) ist ein Mittelpunkt für das Ermland und Masuren. In seinem Schloß residierte zeitweilig Kopernikus. 1919 wurde Marienwerder (21.000 Einwohner) Sitz des Regierungsbezirks Westpreußen, eines Teils Westpreußens, den der Versailler Vertrag nach der Volksabstimmung vom 11.7.1920 bei Deutschland beließ.

Weitere Städte von überregionaler Bedeutung:

Elbing (86.000 Einwohner) mit umfangreicher Industrie, wie der Schichau-Werft, Lkw-Bau und einer Pädagogischen Hochschule. Auf der Schichau-Werft wurde das erste seetüchtige eiserne Dampfboot gebaut. Der in den Drausensee bei Elbing mündende Oberländische Kanal wirkte sich auf den Handel positiv aus.

Memel (41.000 Einwohner), die nördlichste Hafenstadt Deutschlands und ein wichtiger Ort für den Osthandel. Ihren Rang als Handelsstadt erhielt sie durch Holz- und Fischereiindustrie wie auch durch Bootsbau. Äußeres Zeichen hierfür ist die Börse.

Tilsit (54 000 Einwohner) ist Eisenbahnknotenpunkt und Binnenhafen. Eine leistungsfähige Holz- und Zellulose-Industrie sowie ausgeprägter Handel bestimmten den Wohlstand der Stadt, die nach der Abtrennung des Memellandes 1919 zur Grenzstadt geworden war.

Insterburg (49.000 Einwohner) ist ein Eisenbahnknotenpunkt im Innern Ostpreußens. Insterburg war bekannt für seine Reitturniere.

Braunsberg (21.000 Einwohner) ist ein bedeutender Ort im Ermland mit einer katholischen Akademie und weiteren für das Ermland wichtigen Bildungseinrichtungen. Die kleineren Städte Frauenburg und Heilsberg bestechen bis heute durch den Reiz gut erhaltener Ordensarchitektur. In Frauenburg wirkte viele Jahre Kopernikus, er liegt dort am Dom begraben.

Pillau, der Königsberger Vorhafen, war zwischen den Kriegen Anlaufhafen des Seedienstes Ostpreußen, durch welchen schikanöse Fahrten durch den sogenannten “Polnischen Korridor” vermieden wurden. Der Seedienst wurde anläßlich der Volksabstimmung 1920 eingerichtet und entwickelte sich zu einer leistungsfähigen Schiffahrtslinie.

(Statistische Angaben von 1939)

5. Zur Geschichte Ostpreußens

Seit dem Hochmittelalter hieß dieses Land zwischen Weichsel und Memel Preußen und später Ostpreußen; denn der ursprüngliche Name ging auf den größeren Staat, das Königreich Preußen, über.

In frühgeschichtlicher Zeit bewohnten die baltischen Prussen nach Stammesgebieten gegliedert dieses Land. Sie widersetzten sich bis ins Hochmittelalter der Christianisierung und somit auch einer Einbindung in fremdes Staatsgefüge. Nach langen und von wenig Erfolg gekrönten Anstrengungen der Mission aus dem Bereich der seit 966 christlichen Polen endete in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Epoche der Frühgeschichte im Preußenland.

Die nachfolgende Geschichte läßt sich in vier Abschnitte gliedern:

  • Ordenszeit (1231-1525)
  • Köngreich Preußen (1710-1772)
  • Herzogtum Preußen (1525-1701)
  • Provinz Ostpreußen (seit 1772)

1225 rief Herzog Konrad von Masowien, ein polnischer Teilfürst, von prussischen Gegenangriffen bedrängt, den Deutschen Orden gegen die Prussen zur Hilfe. Kaiser und Papst gestanden diesem die zu gewinnenden Gebiete 1226 und 1234 zu. Der Orden war allein dem Papst verpflichtet und konnte seine Territorialherrschaft errichten. In der Folgezeit gründete der Orden Städte und Dörfer und besiedelte das dünn bewohnte Land durch Deutsche, denen das günstige Kulmer Recht vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten bot. Rund 300 Jahre bestand dieser Staat, bis er, durch Kriege und von Krisen geschwächt, unterging.

Mit dem durch die polnisch-litauische Union von 1386 entstandenen mächtigen Nachbarstaat im Süden und Osten kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen. 1410 unterlag das Ordensheer bei Tannenberg. 1466 verlor der Orden durch den 2. Thorner Frieden das später “Westpreußen” benannte Gebiet und das Ermland. Die Hansestädte an der unteren Weichsel, geführt von Danzig und Thorn, unterstützten Polen in dieser Auseinandersetzung. Eine polnische Oberhoheit wurde seitens des Ordens und des Papstes nie anerkannt. Ein dritter Krieg von 1519-21 wurde nicht entschieden, schwächte den Ordensstaat aber vollends.

Als letzter Hochmeister in Preußen säkularisierte Albrecht von Brandenburg-Ansbach 1525 schließlich den restlichen Ordensstaat mit seiner Hauptstadt Königsberg, trat zum evangelischen Glauben über und nahm Ostpreußen vom polnischen König Sigismund, seinem Onkel, als erbliches Herzogtum zu Lehen. Erst 1657 beendete der Große Kurfürst im Vertrag von Wehlau dieses Abhängigkeitsverhältnis.

Sein Nachfolger, Kurfürst Friedrich III., krönte sich am 18. Januar 1701 in Königsberg als König Friedrich I. in Preußen und verband so den Namen Preußen mit dem brandenburgischen Staat. 1772 wurde aus dem alten Preußenland nach der Wiedereingliederung des Ermlandes die Provinz Ostpreußen.

Ein Zwischenspiel von vier Jahren war die Annexion Ostpreußens durch die Zarin Elisabeth von Rußland von 1758 bis 1762. Das l. und 2. Drittel des 18. Jahrhunderts war in vieler Hinsicht für Ostpreußen von teils umwälzender Bedeutung: So entvölkerte zu Beginn des Jahrhunderts die Pest weite Teile des Landes. 1732 siedelten sich 15 000 evangelische Salzburger in Ostpreußen an, die ihre Heimat aus Glaubensgründen verlassen mußten. Ihr Zuzug trug wesentlich zur neuen wirtschaftlichen Konsolidierung Ostpreußens bei.

Nach der Niederlage 1806/07 gegen Napoleon war Ostpreußen letzte Bastion Preußens. Erst die Befreiungskriege stellten 1813/15 die alte Souveränität wieder her.

Im 19. Jahrhundert blieb Ostpreußen zwar ein Agrarland, aber es entwickelte in diesem Bereich ein hohes Niveau und nahm an der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung Deutschlands aktiv teil, so z. B. durch den Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung Eduard von Simson.

Nach einer langen Friedensperiode wurde die Provinz 1914/15 erneut Kriegsschauplatz. Die Russen drangen tief ins Land ein; durch die Siege von Tannenberg und an den Masurischen Seen wurde es befreit.

Die Bestimmungen des Versailler Vertrages trennten das Memelland und das Gebiet um Soldau von Ostpreußen ab, und durch die Schaffung des “Polnischen Korridors” verlor Ostpreußen seine direkte Verbindung zum übrigen Reich.

Der letzte Teil des Zweiten Weltkriegs brachte den schwersten und unglücklichsten Abschnitt in der langen Geschichte Ostpreußens. 1944/45 nahmen die sowjetischen Armeen das Land ein, zerstörten es weitgehend; seine Einwohner flohen, viele kamen ums Leben, wurden verschleppt und bis auf sehr wenige vertrieben.

6. Wissenschaft und Kultur

Vom Boden Ostpreußens gingen geistige Impulse hinaus in die Welt, die die Natur- und Geisteswissenschaften, die Literatur und die bildende Kunst tief beeinflußt haben. Diese schöpferischen Kräfte sind das Geschenk Ostpreußens an Europa und die Welt.

An der Spitze der Naturwissenschaftler stehen drei Astronomen, deren Wirken bahnbrechend für alle Zukunft war. Der in Thorn geborene Nikolaus Kopernikus (1473-1554), Domherr in Frauenburg, schuf ein neues Weltbild mit der Sonne als Mittelpunkt des Planetensystems. Der Leiter der Königsberger Sternwarte, Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846), bewies mit seinen Messungen über den Umlauf der Erde um die Sonne die Richtigkeit der Erkenntnisse des Copernicus. Ferner bestimmte er die Standorte von 75 000 Sternen. Sein Schüler Friedrich Wilhelm Argelander (1799-1875) legte in einem Katalog die Standorte von über 300 000 Sternen fest.

Gustav Robert Kirchhoff (1824-1887) erforschte das Sonnenspektrum und entdeckte die Spektralanalyse. David Hilbert (1862-1943) ist der Begründer der modernen Mathematik und war der Wegbereiter Einsteins.

Drei Naturwissenschaftler wurden mit dem Nobelpreis ausgezeichnet: Emil von Behring (1854-1917), Entdecker des Diphterie-Serums, der Physiker Wilhelm Wien (1864-1928), dessen Arbeiten eine Grundlage für die Raumfahrt schufen, und Fritz Albert Lipmann (1899-1986), Erforscher der Fermente.

Immanuel Kant

Immanuel Kant (Standbild v. Chr. D. Rauch, 1857)

Immanuel Kant (Standbild v. Chr. D. Rauch, 1857)

Es gibt kaum einen anderen Denker, der die abendländische Philosophie so nachhaltig beeinflußt hat wie Immanuel Kant (l 724-1804). Die Klarheit seiner kritischen Philosophie befruchtete nicht nur die Erkenntniswelt anderer Denker, sondern auch die schöpferisch Tätigen in der Kultur und der Politik. Hohe, wenngleich doch vor allem zeitgebundene Bedeutung kommt Johann Georg Hamann (1730-1788) zu, der der Theologie, der Philosophie und der Literatur seiner Zeit positive Denkanstöße gab. Eine weitere Größe dieser Epoche war Johann Gottfried Herder (1776-1803), Mentor Goethes und Begründer des Volkstumsgedankens.

Groß ist die Reihe der Persönlichkeiten, die sich literarischen Ruhm erwarben:

E.T.A. Hoffmann (1744-1822), Hermann Sudermann (1857-1928), Arno Holz (1863-1929), Agnes Miegel (1879-1964), Paul Fechter (1880-1958) und Ernst Wiechert (1887-1950) sind die bedeutendsten unter ihnen.

Die führenden Vertreter der bildenden Kunst sind Lovis Corinth (1858-1925) und Käthe Kollwitz (1867-1945). Ihre Werke hatten großen Einfluß auf nachfolgende Künstlergenerationen in Ostpreußen und in Deutschland.

Im Reiche der Musik sind es Otto Nicolai (1810-1849), Komponist der Oper “Die lustigen Weiber von Windsor”, und Walter Kollo (1878-1940), Komponist zahlreicher Operetten und Meister der leichten Muse, die ihre Werke weit über die Grenzen hinaustrugen.

7. Schönheit der Landschaft

Naturliebhabern ist Ostpreußen ein Paradies:

Berühmtestes Wild ist der Elch auf der Kurischen Nehrung und in den Moorgebieten des Memeldeltas, der Elchniederung. Dazu kommt der mächtige Rothirsch in der Rominter Heide. Der weiße Storch ist in jedem Dorf – oft auch in kleinen Städten – zahlreich vertreten und eine Art Haustier.

Schulung im Segelflug auf dem Predin bei Rossitten

Schulung im Segelflug auf dem Predin bei Rossitten

Sonnentau, eine fleischfressende Pflanze, Frauenschuh, eine Orchideenart, sowie die silberne Stranddistel gehören zu den seltenen Pflanzen, die hier noch anzutreffen sind.

Über die Kurische Nehrung schrieb Wilhelm von Humboldt 1809: “Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, daß man sie eigentlich ebensogut wie Spanien und Italien gesehen haben muß, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen sollte.” Die Worte des Direktors für Kultus und Unterricht im Preußischen Innenministerium haben ihre Gültigkeit nicht verloren. Immer wieder zog es Künstler dorthin. Nidden war eine bekannte Malerkolonie.

Eissegeln auf dem Schwenzaitsee

Eissegeln auf dem Schwenzaitsee

Max Pechstein, Karl Schmitt-Rottluff und Ernst Mollenhauer arbeiteten hier. Der Schriftsteller Thomas Mann erwarb sogar ein Sommerhaus.

In Rossitten forschte der Ornithologe Professor Thienemann in seiner berühmten Vogelwarte. Es entstand neben der Rhön ein frühes Zentrum des Segelflugs unter Ferdinand Schulz (1890-1929).

Ein landestypischer Sport war das Eissegeln.

Wanderungen durch Masurens Wälder, Paddelfahrten über Seen und Zelten auf einsamen Seeinseln gehörten zum Programm der Jugendverbände und Bünde.

Der Gründer des bis heute bedeutendsten Jugendverbandes, des Jugendherbergswerks, Richard Schirrmann, wurde 1874 in Grunenfelde bei Heiligenbeil geboren.

8. Erbe und Auftrag für Ostpreußen

In seiner 750jährigen Geschichte war Ostpreußen ein Pfeiler und Mittler in Mitteleuropa. Diese Geschichte darf nicht durch Augenblicksempfindungen beiseitegeschoben werden, denn das vielbeschworene gemeinsame Haus Europa hat auch Ostpreußens Beitrag zur Geschichte und Kultur als Fundament.

Mit dem Namen Preußen, dessen Kern Ostpreußen ist, verbindet sich eine Staatsauffassung, die sich im Sinne vom Kantischen Pflichtbegriff auf Ordnungssinn, Sparsamkeit und Toleranz gründet. Diese Idee kann weder mit einem Federstrich beseitigt noch wirklich als sekundär verunglimpft werden, denn aus ihr erwächst staatstragende Haltung, so wie sie der Sozialdemokrat Otto Braun (1872-1955), der aus Königsberg stammende Preußische Ministerpräsident in der Weimarer Republik, beschrieb: Mut und Identifikation mit dem Gemeinwesen.

Heute gilt es mitzuwirken, daß ein zu schaffendes einiges Europa sich nicht um reiches Erbe bringt, dessen Verlust sich später als fataler Mangel erweisen würde.

Daher darf die deutschen Geschichte Ostpreußens nicht aus vermeintlicher Opportunität relativiert, als historisch abgeschlossene Zeit, allein als Gegenstand der Forschung verdrängt oder gar, als Zeichen falscher Freundschaft, aufgegeben werden.

Der aus dem geschichtlichen Erbe erwachsene Auftrag heißt daher, nach Kräften mitzuhelfen, daß Ostpreußen wieder als Ort europäischer Kultur ein Pfeiler im neuen Europa wird, was es in seiner Geschichte so häufig nutzbringend war. Die schmerzhaften Verträge aus den Jahren 1990/91 sind daher nicht allein die Bestätigung von auf Annexion beruhenden Grenzen, sondern sie sollten auch die verankerte Grundlage für eine unserer Heimatliebe entspringenden Aufbauarbeit für Ostpreußen sein. Dieses natürliche Recht müssen wir wahren und mit Leben ausfüllen.

Die Gebiete Deutschlands ostwärts von Oder und Neiße sind Bestandteil 700jähriger deutscher Geschichte und des gesamten deutschen Kulturraums.

Auch Veränderungen der bisher geltenden Rechtslage entlassen uns nicht aus unserer Geschichte und kulturellen Verantwortung für die Zukunft.

9. Quelle

Texte und Bilder dieser Seite wurden dem Informationsheft der Landsmannschaft Ostpreußen e.V. “Ostpreußen, was ist das?”, Abteilung Kultur, Buchtstraße 4, 22087 Hamburg, entnommen (5. Auflage 1990).

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