"Euroregion Prussia" - Ein Gedankenspiel

Alle blicken gen Königsberg – an die Einheit Ostpreußens wird dabei nicht gedacht

Königsberg wird ein Enklavendasein auf EU-Territorium fristen, sobald Polen und Litauen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geworden sind. Alle hiervon betroffenen Staaten suchen nach einer Lösung in der “Königsberg-Frage”.

Während in Brüssel ökonomische Fragen zur Lösung der Frage im Vordergrund stehen, ist für Vilnius und Warschau insbesondere das unmittelbar nachbarschaftliche Verhältnis wichtig. Dabei ist begreiflich, daß beide Staaten sich um die Befindlichkeiten in Moskau sorgen. Keine der bisherigen Perspektiven wird der Region Ostpreußen (selbst nach Nicht-Vertriebenen- Maßstäben) wirklich gerecht. Gerade Brüssel ist gefragt, für Ostpreußen um eine ganzheitliche Lösung aller noch ausstehenden Fragen zu ringen, da seitens Berlin in dieser Sache wohl nichts zu erwarten ist.

Vision für das dreigeteilte Ostpreußen?

Vision für das dreigeteilte Ostpreußen?

Euroregion Prussia

Historisch, aber auch gegenwärtig steht das Königsberger Gebiet mit dem Memelland und dem südlichen Ostpreußen in einer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Symbiose. Daran ändern auch die Grenzposten nichts. Die deutsche Kulturlandschaft, die im Ermland und in Masuren noch sichtbar und im Königsberger Gebiet wie auch im Memelland in jedem Fall vorhanden ist, könnte für die Region eine Klammer sein. Zu denken wäre an die Bildung einer “Euroregion Prussia”, die geographisch mit Ostpreußen übereinstimmt.

Unter Einbeziehung der heimatvertriebenen Ostpreußen und der deutschen Wirtschaft könnte die EU die strukturschwache Region in besonderem Maße in Fragen der Wirtschaft, Infrastruktur und Ökologie fördern und sich gleichzeitig dabei um eine Lösung des Vertreibungsproblems bemühen. Moskau behielte sein Tor nach Westen und könnte seinen Einfluß auf die EU ausbauen. Für die Öffnung Königsbergs gegenüber der EU bei gleichzeitigem Ausbau der Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung könnte Brüssel Moskau etwa ständiges Sitz- und Antragsrecht und ggf. auch ein auf Königsberger Belange beschränktes Stimmrecht im Rat anbieten. Dabei könnte Moskau unter Umständen sogar seine Flotte in Pillau belassen, wenn es dies für unumgänglich hält. NATO und EU werden die militärische Anwesenheit der Russen verkraften können.

Polen erhielte im Rahmen des Gesamtkonzepts für die Euroregion einen infrastrukturellen Ausbau seines “Armenhauses” Ermland und Masuren. Zu denken ist hier an den Ausbau der touristischen Zentren, der Zubringerautobahnen und Bahnstrecken sowie den Ausbau des Flughafens Allenstein. Litauen, als schwächstes Glied der drei baltischen Staaten, könnte sich auf diesem Wege seinen wirtschaftlichen Anschluß sichern. Indem etwa der Schwerpunkt des Königsberger Hafens auf Güterwaren und der Schwerpunkt des Memeler Hafens auf den Tourismus gelegt wird, würde das konkurrierende Verhältnis zwischen den Häfen entschärft werden. Landschaftlich- ökologische Konzepte für die beiden Haffs und den bisherigen Grenzfluß Memel könnten einheitlich innerhalb der “Euroregion Prussia” geplant und realisiert werden.

Ostpreußen würde, wenn auch zunächst in einem eingeschränkten Maße, seine Teilung überwinden, was wirtschaftlich, kulturell und ökologisch für die Region nur förderlich sein kann. Die Ostpreußen könnten als integraler Faktor in ihrer Heimat wirken. Die Stärkung der Infrastruktur Ostpreußens hängt nicht zuletzt auch von seiner Besiedelung und Bewirtschaftung ab; beides ist erforderlich. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an günstige Kaufkonditionen für Vertriebene, die in das Land ihrer Väter zurückkehren möchten und die Eigenheiten des Landes kennen.

Ein solcher Weg würde zwar den Vertriebenen keine unmittelbare Gerechtigkeit widerfahren lassen, aber im Vergleich zu anderen bisherigen Lösungsansätzen in der Königsberg- Frage wäre es für Ostpreußen und Europa eine Wohltat.

Bernhard Knapstein

(Artikel aus Fritz 1/2001, Seite 4)

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